Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
schutzlos. Aus ihrer Mitte loderte eine mächtige grüne Flamme empor, die einzig für den Zweck geschaffen war, das Böse zu verzehren.
Die Netzlinge hagelten jetzt wie die Geschosse einer Steinschleuder auf den Pulk der Verteidiger herab. Vielleicht konnte Ergil in dieser wohl schwersten Prüfung seines Lebens nur deshalb über sich hinauswachsen, weil er keinen Moment über sein Handeln nachgedacht hatte. Eigentlich hätte Twikus hier um das Leben seiner Freunde kämpften müssen, stattdessen schwang er das gläserne Schwert.
Zijjajim fauchte durch die Luft, als wäre es ein Feuer spuckender Drache. Beim raschen Hin- und Herschwenken schien seine Spitze manche Angreifer kaum zu berühren, aber die verheerende Macht des Schwertes war wie ein Gift, das sich mit der Bosheit des Gegners zu einer tödlichen Mischung verband. Die Netzlinge fielen wie überreifes Obst zu Boden.
Der Höhleneingang tauchte vor den Reitern auf, ein lichtloses Dreieck im grauen Fels. Ergil hielt direkt darauf zu. Er wies die Gefährten an, in das sichere Dunkel zu fliehen, bevor er ihnen als Letzter folgen werde. Múria trieb ihr Krodibo durch den Spalt. Dann folgten Dormund und Falgon.
Mit einem Mal witterte Ergil eine Gefahr, so wie er zuvor schon rechtzeitig den herabstürzenden Angreifer entdeckt hatte.
»Schnell, Tusan«, drängte er den Freund. »Wir sind noch nicht in Sicherheit.«
Die grünen Augen des Fährtensuchers wanderten über die am Boden liegenden Kadaver. Einige bewegten sich noch, aber keiner sah wirklich bedrohlich aus. Tusan legte seinem Kampfgefährten die Hand auf die Schulter. »Ruhig Blut, Ergil.
Du und dein Flammenschwert haben unter den Fischern reichlich Ernte gehalten.«
Plötzlich tauchte ein Netzling hinter einer Felsnase auf und stieß sich mit erstaunlicher Schnellkraft von der Wand ab. Wie ein Geschoss flog er auf den Rotbart zu.
»Kopf runter!«, schrie Ergil.
Mit den Reflexen einer Raubkatze tauchte Tus a n flink unter die Flugbahn von Netzling und Schwert.
Für Ergil schien sich dieser Moment trotzdem seltsam zu dehnen. Er wusste genau, wo Klinge und Lebensknoten zusammentreffen würden, bevor es überhaupt geschehen war: genau über Tusans Kopf. Seltsam gelassen analysierte er die Folgen für seinen Freund. Die ätzenden Körpersäfte des aufgeschlitzten Gegners würden Tusans Haupt verbrennen, ihm womöglich sogar das Augenlicht nehmen. Zijjajim folgte immer noch der vorherbestimmten Bahn, als Ergil einen Teil seiner Willenskraft aus dem Schwert herausnahm und den Blütengriff gleichzeitig ein kleines Stück drehte. Dann prallten Waffe und Fänger aufeinander.
Die flache Seite des Schwertes wickelte sich um den Vitex des Angreifers, der Schwung riss ihn zur Seite.
Geistesgegenwärtig rollte sich Tusan von dem zu Boden gegangenen Netzling in Richtung Höhleneingang fort und war sogleich wieder auf den Beinen.
Ergil holte unterdessen das Schwert ein. Er war erregt, rechnete immer noch mit einem weiteren Angriff. Seine Brust pumpte wie ein Blasebalg Luft in die Lungen. Das Herz pochte wild. Mit Augen so eng wie Schießscharten beobachtete er, wie sich der Netzling träge vor ihm zurückzog. Er war verletzt. Es wäre ein Leichtes, ihm den Rest zu geben…
Tu es nicht ! , flehte Nisrah unvermittelt. Seine Gedankenstimme vibrierte von Schwermut.
Warum?, erwiderte Ergil trotzig. Er fühlte sich mächtig. Unbesiegbar! Dein Kumpan hätte ohne Zögern getötet und vielleicht wird er es immer noch tun.
Wenn du dieses wehrlose Geschöpf umbringst, d ann öffnest du in deinem Herzen eine Pforte, die sich vielleicht nie mehr schließen lässt. Ein Tor für das Böse, das der Herr in den Eisigen Höhen sehen und jederzeit benutzen kann. Willst du das?
Ergil wich schaudernd zurück. Nein!
Dann lass es gut sein. Du hast gesiegt, Ergil.
Der Prinz senkte beschämt den Blick. Mit einem Mal erschien ihm der eben verspürte Rausch nur noch abgeschmackt und dumm. Ergil wandte sich vom Tal der Fischer ab und folgte Tusan in die Höhle.
23
DER GEDULDIGE
Das Geheul kam nicht von einem gewöhnlichen Wolf. Sowohl in Pandorien als auch in Südsoodland versetzte es die Menschen in Angst und Schrecken. Man hörte es fast nur, wenn der Mond im letzten Viertel war. Wer seinen Verstand noch beieinander hatte, der blieb in solchen N ächten im Haus.
Sieben Vollmonde dauerte nun schon die Jagd Murugans. Während dieser Zeit war er weit in den Norden vorgedrungen, in ein Land so eisig, dass
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