Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
Angreifers. Das Netz sackte schlaff herab. Falgon zischte vor Schmerzen, als einige Fasern seine rechte Hand verätzten.
Überlass mir endlich die Zügel, verlangte Twikus.
Wozu?, sträubte sich Ergil. Es sind hundertmal mehr Gegner, als du Pfeile hast.
»Vorsicht, Inimai!«, warnte Falgon.
Die Heilerin riss an den Zügeln. Ihr Krodibo schlug einen Haken und entging so knapp dem Angriff eines herabfallenden Fängers.
Inzwischen war der Himmel voll von den segelnden Netzen. Bald würde es kein Entkommen mehr geben.
Das gläserne Schwert ! , rief Twikus. Die Netzlinge werden vom Bösen getrieben und sie hassen Flammen. Dagegen gibt es keine bessere Waffe als das Himmelsfeuer. Wenn du schon so ein Sturkopf bist, dann benutze es auch.
Das Argument war nicht von der Hand zu weisen. Nach der Jungschrumpfung des Wagggenerals hatte Ergil das Schwert wieder zusammengesetzt. Seine Hand tastete nach dem Blütengriff.
»Pass au f !«, kreischte Schekira jäh von seiner Schulter her. Fast gleichzeitig schlugen hinter ihm auch Falgon und Dormund Alarm.
Ehe der Prinz den Kopf heben konnte, verdunkelte sich schon sein Gesichtsfeld. Er versuchte noch, seinen Oberkörper von dem lautlos herabfallenden Schatten wegzudrehen, aber seine Reaktion kam zu spät. Der Fänger landete mitten auf seinem Rücken. Schekira hatte sich mit einem beherzten Sprung in Sicherheit gebracht.
Ergil spürte, wie sich das Netz auf seine Schultern legte, dünne Fäden krochen seinen Hals entlang, unter den Haaransatz, immer weiter den Kopf hinauf. Er glaubte, ein Brennen zu spüren, und schrie entsetzt auf. Verzweifelt versuchte er den Fänger abzuschütteln.
»Beim Allmächtigen!«, keuchte Falgon. Er hatte sein Krodibo an Schneewolkes Seite gelenkt. Die Tiere preschten unterdessen immer noch durch das Tal. »Halt still, Junge, dann kann ich seinen Knoten vielleicht aufspießen.«
Ich werde verdaut!, schoss es Ergil durch den Kopf.
Möglich wäre das schon. Aber nicht von mir, antwortete ebendort eine Stimme, die ihm fremd vorkam. Sie vibrierte, sofern man das von Gedanken überhaupt sagen konnte, wie das Zirpen einer Zikade, fühlte sich aber trotzdem wärmer an, ähnlich dem Gurren einer Taube.
Ergil stellte sein Gebrüll ein. Twikus?
N ein, das war ich nicht. Das muss der Netzkerl sein. Er spricht zu uns.
Oh? Das übertrifft ja alle meine Erwartungen! Zwei Menschenkinder in einem Gespinstling, freute sich der Besucher in Ergils Kopf.
»Au!« Ergil schrie vor Schmerzen auf. Hinterhältiges B i est!
Au!, rief auch die fremde Stimme und fügte zu seiner Verteidigung hinzu: Das war ich nicht!
»Zappel nicht so rum, Junge, sonst bist du durchlöchert, bis ich den Knoten getroffen habe«, forderte Falgon von der Seite des Prinzen.
Sag ihm, er soll aufhören! Ich tu dir nichts, versprach der Besucher.
Wer’s glaubt! Spring doch ab, dann lässt der Mann mit dem Speer dich in Frieden.
Dir und deinen Gefährten helfen will ich.
Ja, in die nächste Falle, mischte sich Twikus ein. Lass uns sofort los!
Wollte ich euch verdauen, dann hätte ich es längst getan.
Stimmt!, dachte Ergil. Als der Fänger auf ihn gefallen war, hatte er sich zwar ein Brennen auf der Haut eingebildet, aber jetzt tat ihm nur noch die von Falgon angestochene Schulter weh. Der Rest seines Körpers prickelte eher angenehm, beinahe so, als könne er jedes Staubkörnchen spüren, mit dem er während des scharfen Ritts zusammenstieß. Dieses Gefühl war ihm einerseits vertraut – beim Durchdringen seiner Umgebung hatte er schon Ähnliches empfunden –, in seiner Intensität erschien es ihm aber neu und gänzlich fremd. Die Luft kam ihm frischer vor, das Licht klarer, das Getrappel der Krobidos durchdringender. Er vermeinte sogar ein schwaches Rauschen von den niedersinkenden Netzlingen wahrzunehmen. Bildete er sich das alles nur ein? Hatte sein Anhängsel ihm irgendein Gift verabreicht?
Unvermittelt fühlte er eine bedrohliche Spannung neben sich. Er warf den Kopf herum und sah, wie Falgon gerade ein weiteres Mal nach dem Vitex des Netzwesens stechen wollte. Schnell streckte Ergil ihm die Hand entgegen und rief:
»Warte!«
»Aber…«
»Der Netzling spricht zu mir. Er will uns helfen.«
Nach wie vor galoppierten die Gefährten zwischen Bäumen und Felsen hindurch. Schekira hatte sich in die kurze Wollmähne von Múrias Krodibo verkrallt. Ein Stück vor ihr wich Tusan gerade einem Fänger aus und durchtrennte mit seinem riesigen Dolch dessen äußere
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