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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sie ins Freie traten, wurden sie von blendendem Weiß empfangen. Daher verbrachte man noch eine weitere Nacht am Höhlenausgang.
    Múria kümmerte sich als Erstes um Falgons und Dormunds Verätzungen wie auch um Ergils Stichwunde an der Schulter. Sämtliche Verletzungen seien nur oberflächlich und würden bald vergessen sein, versprach die Heilerin. Sie wirkte irgendwie abwesend, während der Prinz sich wieder sein Hemd überstreifte.
    »Worüber denkst du nach, Wegbereiterin Inimai?«, fragte der  Prinz.
    »Deine Art, wie du gestern mit dem gläsernen Schwert gegen die Netzlinge vorgegangen bist, hat mich offen gestan d en erstaunt. So etwas hätte ich eher Twikus zugetraut.«
    Ergil sah sie aus großen Augen an. Plötzlich verfinsterte sich sein Gesicht und er entgegnete barsch: »War meine Mutter eigentlich auch so mürrisch wie du?«
    Múria sog erschrocken die Luft ein. Anstatt den Ausbruch ihres Schülers zu tadeln, sagte sie sanft: »Nein. Vania war der gütigste Mensch, dem ich je begegnet bin, und ich wünschte, ihre Langmut hätte mehr auf mich abgefärbt. Ich liebe dich  und deinen Bruder fast wie eigene Söhne, Ergil. Für mich i s t der Gedanke unerträglich, nicht alles Menschenmögliche zu eurem Schutz getan zu haben, wenn ihr bald Wikander gegenübertreten müsst. Deshalb erscheint manches, das ich zu euch sage, hart… Nein, es ist hart und… ungerecht. So wie eben. Kannst du mir verz e ihen , mei n Lieber?«
    Die entwaffnende Milde in ihrer Antwort ließ den Zorn des Prinzen schnell verrauchen. Was zurückblieb, war ein Gefühl der Unsicherheit und Wehmut. »Vielleicht werden Twikus und ich bald sterben, Múria.«
    »Sag so etwas nicht!«
    »Aber so ist es doch. Ich vermisse unsere Mutter so sehr, dass ich es manchmal kaum ertragen kann! Wenn wir sie doch noch einmal sehen könnten! Für einen Tag. Oder nur eine Stunde.«
    »Nach der Weltentaufe werdet ihr euch wieder in die Arme schließen können.«
    »Ja, aber das ist… so weit. Obwohl ich mich kaum an Mutter erinnern kann, fühlt sie sich in meinem Herzen noch lebendig an. Ja, irgendwie spüre ich sie noch, aber trotzdem ist sie… unerreichbar für mich.«
    Múria streichelte ihm sanft die Wange. »Es ist ihre Liebe, d ie ihr zwei immer noch empfindet. Bewahrt sie als kostbares Andenken, um auszuharren bis zu dem Tag, da Der - der - tut- was - ihm - gefällt alle Wunden heilt.«
    »Ausharren ? Wofür?«
    »Euch als Söhne eurer Mutter zu bewähren. Ihr seid Kinder des Volkes der Weisen und durch Torlund auch der Menschen. Vania hat euren Vater aus Liebe geheiratet, aber sie hegte auch den Wunsch, Mirad durch die Frucht ihres Schoßes das wiederzugeben, was Magos zerstört hatte: die Sirilim. Ja, mehr als das. Sie wollte beide Völker in Frieden vereinen.«
    »Ich fürchte, das ist eine fast zu große Last, um von nur zwei  Schultern getragen zu werden.«  
    Múria lächelte verschmitzt. »Es kommt darauf an. Meine Grübelei über deinen gestrigen Schwertkampf zielte weniger darauf ab, irgendwelche Vergleiche z wischen dir und deinem Bruder anzustellen. Ich habe mich nur gefragt, wie du einige der Angriffe abwehren konntest – es sah so aus, als hättest du die Gefahr schon vorausgeahnt.«
    »Nein, ich habe nur durchdrungen: das Tal, die Felsen, die  Netzlinge und ihre Absichten – alles lag klar vor mir.«
    »Das meinte ich. Und wie war es bei dem Marsch durch die  Finsternis?«
    »Genauso. Oder wenigstens ähnlich. Manchmal wusste ich nicht, ob meine Augen tausendmal empfindlicher geworden waren oder ich die Höhlen und Gänge n ur mit dem Geist sehen konnte.«
    »So etwas habe ich vermutet. Bei aller Würdigung dessen, wie sich deine Gabe seit der Begegnung mit Olam entwickelt hat, scheint sie mir doch überraschend größer und stärker, als es aus meiner Sicht zu erwarten war. Hat dir Twikus erzählt, wie ich mit ihm in meinem Haus über das Mischen von Tinkturen gesprochen habe?«
    »Äh… Ich glaube nicht.«
    »Manchmal können zwei Stoffe erst ihre heilende Kraft entfalten, wenn man einen dritten, scheinbar nutzlosen, vielleicht sogar giftigen hinzufügt. Ich nenne das einen Wirkbeschleuniger.«
    »Aha.«
    Sie lachte. »Du solltest jetzt dein Gesicht sehen! Als hätte ich dir von fliegenden Schildkröten erzählt. Was ich sagen will, ist Folgendes: Nisrah könnte dein ›Wirkbeschleuniger‹ sein. Er scheint die alte Gabe in dir irgendwie zu verstärken oder für dich kontrollierbarer zu machen. Ich kann unser Glück selbst

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