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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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betrachtete – Kira und Múria bewunderte er sogar –, aber sie waren eben in mancherlei Hinsicht anders.
    Die Dunkelheit nahm r asch zu. Twikus konzentrierte sich wieder auf die Umgebung. Mit seinen scharfen Sinnen war er Auge und Wächter der Gemeinschaft zugleich. Sogar in den tiefsten Schatten bewegte er sich so sicher wie eine Fledermaus. Anders als Schekira konnte er sogar durch Schnee und Felsen hindurchsehen. Die Landschaft wurde für ihn nicht grundsätzlich durchsichtig, wie man mit den Ohren ja auch nicht ständig alle Geräusche im Umkreis bewusst wahrnimmt. Aber wenn ein bestimmter Laut auf Gefahr hindeutet, dann wird man he l lhörig und genauso wurden die Prinzen in bedrohlichen Situationen »hellsichtig«. Einmal hatte Ergil die Gefährten vor einer Lawine gewarnt und ein andermal waren sie von Twikus um eine Schneeverwehung herumgeführt worden – das pulverige Weiß lag wie ein Tuch über einer tiefen Spalte, in die Tusan fast hineingefallen wäre.
    In den letzten Tagen waren sie meistens bis weit nach Sonnenuntergang geritten. Den zähen Krodibos schien weder die Kälte noch das stundenlange Tragen ihrer Lasten etwas auszumachen. In dieser Nacht wurden die Kräfte von Mensch und Tier besonders gefordert. Man wollte nicht rasten, bis das zum Greifen nahe Ziel erreicht wäre: das Mondkap.
    Hier war der Soodlandbelt – eine Wasserstraße zwischen dem Festland und der Insel – nur etwa fünfzig M e ilen breit. An klaren Tagen konnte man von der hohen Klippe des Kaps sogar die Sooderburg sehen. Falgon hatte diese Stelle für die Überquerung der Meeresstraße aus einem ganz bestimmten Grund gewählt: Kein Feldherr, der seinen Verstand noch beieinander ha t te, würde für einen Angriff auf die Festung des Großkönigs die kürzeste Verbindung wählen. Es war – buchstäblich wie auch im übertragenen Sinne des Wortes –  einfach zu nahe liegend. Und gerade deshalb bot es nach Ansicht des Waffenmeisters die größte Chan c e für eine Überraschung.
    Obwohl die Sonne schon lange untergegangen war, konnten die Gefährten erstaunlich weit sehen. Erst vier Tage lag der Vollmond zurück. Der sternenübersäte Himmel war wieder klar, die Luft klirrend kalt, das Geräusch der gespaltenen Krodibohufe im weichen Schnee kaum zu hören. Als die Tiere einen Hügelrücken erklommen, bot sich ihren Reitern ein atemberaubender Anblick.
    »Warte!«, befahl Twikus leise und Schneewolke blieb auf der Stelle stehen. Auch die anderen zügelten ihre Krodibos, um die überwältigende Aussicht auf sich wirken zu lassen.
    Unter ihnen lag das Schollenmeer.
    Der Mond malte auf das Wasser eine breite Bahn aus Licht, die geradewegs zur Sooderburg zu weisen schien. Twikus sog die kalte Luft ein. Seine Brust bebte vor Erre g ung. Zwar konnte er die Insel, auf der er geboren worden war, mit bloßem Auge nicht erspähen, aber sein Gefühl sagte ihm, dass sie da draußen war, am Ende der silbernen Straße aus Licht.
    Im Vordergrund sah er das Mondkap, eine felsige Erhebung, die als Landmarke vom Meer aus weithin zu erblicken war. Früher hatte darauf nachts ein Leuchtfeuer gebrannt. Es war für die Fischer die letzte Verbindung zum Festland gewesen. Wie Dormund in Hjelp erfahren hatte, wagte sich längst niemand mehr auf den Soodlandbelt hinaus. Der Schmied war einem alten Mann begegnet, der ihm bestätigte, was zuvor schon Múria erfahren hatte: Ein Bann liege über dem Schollenmeer. Wer sich ohne Einladung der Sooderburg auf die See hinauswage, der verlöre da draußen seinen Verstand und stürze sich lachend in die eisigen Fluten. Viele Unglückliche seien schon auf diese Weise ertrunken.   
    Twikus schaute nach rechts, wo Múria auf ihrem Krodibo saß und ebenfalls zum Meer hinabblickte. »Langsam wäre es an der Zeit, uns deinen Plan zu verraten, Meisterin. Wie können wir uns vor dem Bann schützen?«
    Sie schob die Kapuze vom Kopf und schüttelte ihr langes, blondes Haar. »Ich hatte gehofft, du würdest selbst darauf kommen, mein Lieber.«
    Mit dem Schwert, erscholl Ergils Stimme wie aus großer  Ferne in sein Bewusstsein herauf.
    »Zijjajim?«, murmelte Twikus.
    Múria lächelte. »Hat dein Bruder dir das eben eingeflüstert?«
    »Na ja… er ist eben…«
    »… der Denker von euch beiden?« Leises Gelächter ertönte aus der Runde, bis die Herrin der Seeigelwarte die Gefährten mit einer Geste ihrer Hand zum Schweigen brachte. »Sie meinen es nicht so, Twikus. Außerdem ergänzt ihr beiden euch tadellos. Aber um

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