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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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spät. Dein Traum…«
    »… war nur ein Traum. Sonst nichts«, stieß der Junge tro tzig hervor.
    »Bitte…!« Der Alte hob die Hand, als wolle er seinen  Zögling schweigen heißen.
    Rasch ergriff Twikus die schwielige Rechte, weil er seinem Ziehvater die Anstrengung ersparen wollte. »Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht unterbrechen.«
    Erneut musste Falgon erst Kraft schöpfen, bevor er weiterreden konnte. Seine Stimme wurde immer leiser. »Du bist mehr, als du glaubst, Junge…« Er verschluckte sich am eigenen Blut und hustete.
    Twikus meinte, wie Reisig im Feuer vergehen zu müssen. Ja, auch wenn er keine anderen Heranwachsenden kannte, ahnte er  doch seit langem, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Falgon hatte nie den Wald so wahrgenommen wie er, nie die Welt im Traum durch die Augen eines anderen gesehen. Und dann diese Stimme im Kopf…
    »Twikus! « Falgons Augen waren jetzt weit geöffnet. Sie blickten verzweifelt, so als könnten sie das Gesicht des Jungen nicht sehen.
    »Hier bin ich, Oheim!«
    »Deine Mutter war eine… Du… bist… bist…«
    Die Hand, die Twikus festhielt, schloss sich jäh wie ein Schraubstock. Er biss die Zähne zusammen, weil der Schmerz in seinen Fingern ihn zu überwältigen drohte. Dann lockerte sich der Griff und das Glitzern in Falgons Augen erstarb.
    »Oheim!«, rief der Junge. »Du darfst mich nicht verlassen! Bitte bleib doch!« Immer wieder schrie er diese Worte hinaus. Sie hallten durch den Wald. Vögel flatterten erschrocken auf. So mancher stille Beobachter zog sich weiter in sein Versteck zurück, als fürchte er von der brennenden Trauer des Menschenkindes verzehrt zu werden. Das Klagen war nicht so schrill wie das Schreien, das zuvor den Ritter zu Staub verwandelt hatte, aber kaum weniger intensiv. Und während Twikus mit gesenktem Haupt über dem Leichnam seines, wie er glaubte, einzigen Freundes weinte, hörte er unvermittelt eine leise, glockenhelle Stimme.
    »Es tut mir unendlich Leid, dass ich nicht früher kommen konnte.«
    Er reagierte nicht sofort, weil er die Wortmeldung zunächst für einen neuerlichen Auftritt des Plagegeistes hielt, aber das Stimmchen ließ sich nicht vertreiben.
    »Ich wünschte, mein Retter, du müsstest meine bittere  Erfahrung nicht schon in so jungen Jahren teilen.«
    Nun stutzte Twikus doch. Die Stimme unterschied sich zu deutlich von der des Störenfrieds. Außerdem war sie weniger  nah, wenngleich sie aus unmittelbarer Nachbar s chaft kam. Er wischte sich mit dem Unterarm die Tränen aus dem Gesicht und suchte nach dem Quell des Mitgefühls. Oberhalb von Falgons Kopf wurde er fündig.
    Da stand, kaum größer als seine Hand, ein Mädchen mit kupferfarbenem Haar, das vier durchscheinende Libellenflügel besaß. Die helle Haut der Kleinen schimmerte, je nachdem wie das Licht auf sie fiel, in den Farben des Regenbogens. Sie trug ein kurzes Kleidchen in Dunkelrosa, aber keine Schuhe.
    Twikus blinzelte. »Träume ich?«
    Die zauberhafte Erscheinung wirkte verunsichert. »Du bist hellwach.«
    »Ic h kenn e dich.«
    »Natürlich.«
    »Aus meinen Träumen.«
    »Oh!« Die Kleine bedeckte ihren Mund mit den winzigen feingliedrigen Händen.
    »Du bist eine Elvin, nicht wahr?«
    Sie blickte an sich herab und schien eine Antwort zu erwägen, verzichtete dann aber offenbar darauf und sagte stattdessen: »Mein Name ist Schekira.«
    Wieder hatte Twikus das Gefühl, im Nebel seiner Erinnerungen würde sich ein Durchblick öffnen. »Ich kenne diesen Namen.«
    »Da s ist … schön.«
    »Hast du den Ritter z u Stau b zerfalle n lassen?«
    Ihr Blick folgte seinem deutenden Finger bis zu dem Rost- und Staubhaufen. »Nein, ich habe dir nur auf die Sprünge geholfen. Durch das Schwert.«
    »De n Silberdorn?«
    »E s is t au s Satim.«
    »Ja, das hat der Quälgeist auch gesagt.«
    »We r ?«
     
    »Eine Stimme in meinem Kopf.«
    »Ah!« Ihre Augenbrauen – zwei winzige kupferrote Striche –  hoben sich.
    »Ist der silberne Dorn ein Zauberschwert?«
    »Nein. Nicht im eigentlichen Sinne. Es besitzt zwar einige besondere Kräfte, die Menschenkindern wie Zauberei erscheinen mögen, aber diese haben den Ritter nicht verrotten lassen.«
    »Wa s dann?«
    »Dein Schmerz. Er ist ein starkes Gefühl und vermag in jemandem wie dir vieles zu wecken.«
    Der Junge verstand nicht, was Schekira damit andeutete. Mit bitterer Miene wandte er sich wieder dem Toten zu und murmelte: »Ich weiß, dass du die Wahrheit sprichst. Und das dunkelste Gewand des

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