Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
sagte Falgon. »Du hast nur seinen Schatten in den Rauchfahnen getroffen.«
Wie zur Bestätigung des Gesagten verschwand die Silhouette aus dem Schwefellicht in die Dunkelheit.
Der alte Waldläufer richtete sich in den Steigbügeln auf, um nach dem Sindran Ausschau zu halten. Vergeblich. »Das Biest hält sich versteckt. So beginnt man eine Jagd . « E r lie ß sich wieder in den Sattel sinken. »Verstehst du jetzt, warum ich diesem Feind nicht gegenübertreten wollte, Twikus?«
»Ja , Oheim.«
»Hier draußen gibt es tausend Hinterhalte. – Schekira?«
Die Elvenprinzessin landete taumelnd auf Feuerwinds Kopf und rutschte dabei ab, konnte sich aber gerade noch an der Mähne festhalten. »Mir ist so schwindelig. Das muss von dem Schwefelgeruch kommen.«
Falgon ignorierte ihr Klagen. »Wo lauert der Sindran uns auf?«
»Ich weiß nicht. Er ist einfach in den Schatten vers c hwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Aber vielleicht liegt es auch nur an dem… dem… Oh, ich glaube, ich werde ohnmächtig.«
Twikus beugte sich rasch vor und streckte seine Hand aus, um die Elvin aufzufangen. Behutsam zog er sie zu sich heran.
»Sie hat tatsächlich die Besinnung verloren.«
Falgon schüttelte mit grimmiger Miene den Kopf. »Das gefällt mir nicht. Es stinkt verdammt nach einer Falle.«
»So ungefähr hat sich Ergil vorhin auch ausgedrückt.«
»Und warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Weil er sowieso immer das große Flattern kriegt, wenn…«
»Du solltest doch am besten wissen, dass ihr zwei über besondere Wahrnehmungen verfügt. Hättest du… Ach, ist jetzt ja auch egal. Wir müssen so schnell wie möglich hier weg.«
»Das würde ich auch raten. Ich höre das Getrappel von Pferden«, meldete sich Dormund zu Wort.
Twikus ließ rasch die reglose Elvenprinzessin in seinen Hemdausschnitt gleiten, damit er wieder die Hände für seinen Bogen frei hatte.
»Den Weg nach Süden können wir vergessen«, brummte Falgon. »Dort lauert der Sindran auf uns. Wir müssen uns nach Norden durchschlagen. Kommt!« Er ließ seinen Rappen losgaloppieren.
Offenbar hatte man auf der Stadtmauer für diesen Fall eindeutige Befehle, denn jetzt ertönte der schon lange befürchtete Alarm. Ein B lick nach oben genügte Twikus, um ihm die Gefahr anschaulich zu machen. Dutzende von Fackeln erschienen auf den Zinnen und es zischten auch schon die ersten Pfeile durch die Luft.
»Sie schießen auf uns!«, schrie hinter ihm Dormund entrüstet.
»Bleibt dicht an der Mauer!«, rief Falgon von der Spitze.
Als erfahrener Jäger begriff Twikus sofort, was sein Ziehvater damit bezweckte. Sie boten für die Bogenschützen ein weit schwerer zu treffendes Ziel, wenn sie direkt unter ihnen entlangritten. Dennoch war es nur eine Frage der Zeit, wie lange sie noch den tödlichen Geschossen entgehen konnten.
Als wäre die Bedrohung durch den Pfeilhagel nicht schon misslich genug, sprengte jetzt auch noch eine bewaffnete Abteilung aus dem Stadttor und nahm die Verfolgung auf. Doch es sollte noch schlimmer kommen.
»Da nähern sich weitere Reiter. Ich kann die Spiegelungen der Fackeln auf ihren Harnischen sehen. Sie sind direkt vor uns.« Die deprimierende Meldung stammte von Falgon.
»Jetzt nehmen sie uns in die Zange«, grunzte Dormund.
»Wir müssen uns ergeben. Vielleicht verschonen sie wenigstens die Jungen.«
Die Gefährten brachten ihre Pferde zum Stehen. Erstaunlicherweise hörte im selben Moment der Beschuss von den Zinnen der Stadtmauer auf, möglicherweise weil für die zwischen Steinwall, Schlucht, Sindran und Soldaten Eingekeilten ein Entkommen aussichtslos erschien. Sogar die Berittenen verlangsamten auf beiden Seiten ihr Tempo. Man war sich seiner Sache offenbar sicher. Warum jetzt noch ein Risiko eingehen?
Twikus spürte ein Kitze l n an der Brust, achtete jedoch nicht weiter darauf. Er wollte sich mit dem vorauszusehenden Ausgang ihrer Flucht nicht abfinden und schnaubte vor Wut:
»Auf keinen Fall werde ich mich ergeben. Ich lasse nicht zu, dass Wikanders Schergen euch beide…«
»E s gib t noch einen anderen Weg«, unterbrach ihn eine helle Stimme.
Er blinzelte verwirrt. »Was?« Schekira kletterte aus seinem Halsausschnitt, erreichte hustend die Schulter, formte mit den Händen einen Trichter und rief lauter als nötig: »Du musst sie über die Brücke führen.«
»Wa s fü r eine…?«
»Die Brücke Wankelmut.«
»Das ist nicht dein Ernst. Was glaubst du, warum sie diesen Namen hat?
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