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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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unvermittelt davondriftete. Aber nicht sehr weit. Höchstens dreißig Schritt hinter der Kante blieb sie wieder stehen.
    »Wartet noch…« Twikus’ Hand blieb erhoben, seine Augen geschlossen.
    Ein Pfeil pfiff an ihm vorbei.
    »Wir haben keine Zeit mehr«, drängte Falgon.
    Wieder glitt das Plateau heran und nahm Fühlung mit dem  Rand der Schlucht.
    »Jetzt!«, rief Twikus, öffnete die Augen und trat einen Schritt vor, einen zweiten und dann war er mit Feuerwind auf der Felsnadel.
    Die anderen beiden Pferde scheuten, ließen sich aber vom Waldläufer und dem Schmied rasch besänftigen. Eilig führten sie die Tiere auf die Säule, gerade noch rechtzeitig, bevor sie sich wieder vom Rand fortbewegte. Mehrere Pfeile zischten in den Abgrund, während die von ihren Schützen anvisierten Ziele längst entschwebten.
    Ein wütendes Geheul brach auf dem Abhang los. Den Verfolgern dämmerte, dass ihre schon sicher geglaubte Beute ihnen zu entwischen drohte. W ikander stand in dem Ruf, minder erfolgreiche Kommandeure an seine Schneekrokodile und sonstige Haustiere zu verfüttern. Das machte die Überstürztheit begreiflich, mit der die Soldaten sich jetzt dem Abgrund näherten. Im Galopp schossen sie unentwegt Pfeile ab, aber während diese noch durch die Nacht sirrten, veränderte die schwingende Felsnadel jedes Mal das Tempo und die Richtung, sodass die Geschosse ihr Ziel verfehlten.
    »Die Wahnsinnigen werden wie ihre Pfeile in die Schlucht fallen!«, keuchte Dormund. Breitbeinig und mit weit aufgerissenen Augen verfolgte er die durch die Gehenna preschenden Reiter.
    Twikus hatte anderes zu tun, als sich um ihre Jäger zu sorgen. Seine ganze Konzentration galt der nächsten Felsnadel. Wie ein Tau schlang sich sein Geist um die schwingende Säule, fühlte das Wiegen, maß noch einmal den Takt, um plötzlich seine Anweisung hervorzustoßen.
    »Bei der nächsten Berührung müssen wir schnell übersetzen. Sie wird nur sehr kurz sein.«
    Schreie hallten durch die Nacht, verzweifelte Laute d er  Todesangst.
    »Beim Allmächtigen!«, rief Falgon entsetzt.
     
    Twikus gab der Versuchung nach, öffnete die Augen und wandte sich um. Was er im Schwefellicht der Gehenna sah, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Einige Soldaten hatten ihre Pferde auf dem steilen Streifen am Rand des Abgrunds zu spät gezügelt. Die Tiere rutschten haltlos nach unten und fielen samt ihren Reitern in die Tiefe. Gelähmt von dem entsetzlichen Anblick vergaß er die zweite Felsnadel, die hinter ihm heranschwang, sich mit der ersten verband und, weil sie ein wenig kürzer als diese war, sich streckte, bis beide eine ebene Steintafel bildeten.
    »Wir müssen wechseln!«, stieß Dormund unvermittelt hervor.
    Twikus taumelte kopflos zurück. Sein linker Fuß begann sich über die Kante des Plateaus zu schieben. Er spürte, wie er das Gleichgewicht verlor…
    »Pass auf!«, schrie Schekira.
    Er warf die Hände hoch. Das gläserne Schwert in seiner Rechten schwebte über der schwarzen Leere. Wenn es ihm jetzt entglitt, würde es für immer verloren sein. Verzweifelt ruderte er mit den Armen. Plötzlich straffte sich der Zügel in seiner Linken. Feuerwind riss den Kopf hoch und damit auch seinen Herrn auf den Felstisch zurück. Im nächsten Moment war auch schon Falgon zur Stelle, um den Prinzen zu halten.
    »D u bist zu erschöpft, Twikus. Es ist vielleicht besser, wenn du wieder aufsteigst.«
    Der schüttelte benommen den Kopf. »Keine Zeit. Nein! Wir müssen übersetzen. Schnell!«
    Schon stolperte er auf die Nahtstelle zwischen den zwei Säulen zu, überquerte sie und winkte den Gefährten, damit sie ihm rasch folgten. Falgon führte seinen Rappen hinüber. Auch er war in Sicherheit. Zuletzt kam Dormund. Als Borkes Vorderhufe das zweite Plateau berührten, knirschte es im Gestein.
     
    »Schneller!«, schrie Twikus, doch es war bere i ts zu spät.
    Die erste Felsnadel zog sich zusammen, als wäre sie der Fühler einer Riesenschnecke. Im nächsten Moment glitt sie davon. Schekira schoss in die Luft empor, blieb über dem Kopf des Pferdes stehen und packte es an der Mähne, was nicht mehr als e i n hilfloser Akt der Verzweiflung war. Die Augen des Braunen quollen regelrecht hervor, während er in Todesangst wieherte. Instinktiv waren seine Hinterläufe vorgeschnellt, um irgendwie doch noch auf das Plateau zu gelangen. Knapp verfehlte er die rettende Kante. Doch eines der Hufeisen hatte sich an einem Felsgrat verhakt. Auch der andere Fuß fand

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