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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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brauchen sie eine formende Hand. Nur Múria kann ihnen den Feinschliff geben, der ihre Sirilimgaben zur vollen Entfaltung bringt. Und deshalb müssen wir schnell wie der Wind nach Seltensund gelangen.«
    Schekira gluckste. »Gut gesprochen, alter Freund. Von meinen Verwandten, den Bergelven des Stromlandes, weiß ich zufällig, dass die Reise dorthin nicht gerade kurz ist. Ich habe Flügel, aber wie wollt ihr die Strecke ›in Windeseile‹ zurücklegen?«
    Dormund massierte mit den Fingerkuppen seinen Schädel. Anscheinend dachte er angestrengt nach. »Selbst für Schekira wäre es von Fungor nach Seltensund ein Flug von tausend  Meilen. Zu Pferde können wir kaum mehr als zwanzig pro Tag zurücklegen und müssten mindestens die andertha l bfache Strecke bewältigen.«
    »Dreieinhalb Monate sind zu viel«, beschied Falgon.
    »Ich hätte da eine Frage, Kira.« Es war Ergil, der sich zum ersten Mal, seit er in der Nacht in einen todesähnlichen Schlaf gesunken war, wieder zu Wort meldete. Er richtete sich in eine sitzende Haltung auf, drapierte die Decke um seinen Körper und wartete, bis die Elvin herbeigeschwebt und vor seinen verschränkten Beinen gelandet war.
    »Wie geht es dir, mein Retter?«
    »Hundsmiserabel. Abgesehen davon: Ich habe, als wir heute  Nac ht die Brücke Wankelmut überquerten, etwas gespürt.« Sie nickte.
    »Etwas Lebendiges.«
    Die Elvin nickte abermals.
    »Könnte uns dieses…«
    »Du darfst die Dingan ruhig beim Namen nennen.«
    »Meinetwegen. Könnte sie uns irgendwie helfen?«
    »Schlag dir das aus dem Kopf. Sie hört auf niemanden.«
    »Das mag schon sein, aber sie hat uns trotzdem einen Weg in die Freiheit gebahnt.«
    Falgon schnaubte. »Das ist eine sehr schmeichelhafte
    Umschreibung für das, was wir durchgemacht haben.« Versonnen blickte die Elvin zu dem Prinz e n auf.
    »Worüber denkst du nach?«, fragte Ergil.
    »Du hast mich gerade auf eine Idee gebracht. Vielleicht hilft uns die Dingan doch. Nicht direkt. Und nicht aus Gefälligkeit. Sondern einfach, weil sie da ist und alles um sich herum verbiegt. Auch Flüsse.«
    » D er Fendenspund?« Ergil flüsterte nur.
     
    Sie nickte. »Im Gegensatz zum Kitoragosan, der in der Schlucht verschwindet, lenkt sie den Fendenspund nach Weste n ab.«
    »Es heißt, er fließt bergauf«, knurrte Falgon.
    »Nur ein übermütiges Spiel der Dingan«, beruhigte ihn die  Elvin.
    »Wir könnten ein Floß bauen«, schlug Dormund vor. Er schien für jedes Problem sofort eine praktische Lösung parat zu haben. »Wenn wir uns beim Steuern abwechseln, dann könnten wir in einem Monat die Katarakte von Seltensund erreichen.«
    »Das wäre zu langsam und die Stromschnellen unterwegs sind zu gefährlich. Ich habe eine bessere Idee«, verkündete Schekira und schoss sechs oder acht Fuß nach oben. »Brecht das Lager ab und reitet nach Osten, bis ihr auf den Fluss trefft. Wartet am Ufer auf mic h . Ich besorge euch ein Floß, wie ihr noch nie eines gesehen habt.« Sprach’s und schwirrte wie eine Libelle davon.
    Falgon blickte ihr mit ausdrucksloser Miene nach. »Haben die Schwaden der Gehenna ihr den Verstand vernebelt?«
    Ergil schüttelte den Kopf. »Ne i n. Nicht Schekira. Wir sind wieder in der freien Natur, wo sie sich wohl fühlt. Und wo sie sich besser auskennt als wir alle zusammen. Ich vermute, sie hat eine Überraschung geplant.«

    Der über weite Strecken meilenbreite Ban galt zwar als der mächtigste Strom von Mirad, aber an Länge war ihm der Fendenspund ebenbürtig. Vor den Toren von Wes t-Blund vereinigte er sich mit dem Sigspund und bei der Stadt Bolk mit dem Groterspund, um fortan als Kandenblood seiner Mündung entgegenzustreben. Gemeinsam bildeten d ie Flüsse – unzählige Bäche und kleine Nebenläufe hinzugerechnet – das Herz des  Stromlandes. Gäbe es nicht die felsigen Gefälle und die Wasserstürze am Fuß des Grotwallgebirges, könnte man von den Harim - zedojim - Bergen weit im Süden auf einem Schiff bis nac h Ne u - Seltensund fahren, bis ins nördliche Schollenmeer. Und fast bis nach Soodland.
    Während Ergil sich die Landkarte aus Harkon Hakennases Reisebericht ins Gedächtnis rief, spürte er zum ersten Mal so etwas wie Heimweh. Es war nicht die Sehnsucht nach dem Blockhaus im Großen Alten, sondern der Wunsch, das Land seiner frühesten Kindheitstage zu erforschen. Er wagte nicht das Wort »Wiedersehen« auch nur zu denken, denn noch immer waren die Erinnerungen an die Sooderburg und die kühle Insel wie Trugbilder

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