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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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eure Hoffnung nie sinken, meine Freunde. Entschuldigt die Verspätung. Ich hatte euch ein Stückchen weiter südlich erwartet.«
    »Und möge die deine zur Sonne deines Lebens werden. Hast du ein windgeschwindes Transportmittel für uns gefunden?«
    »O ja! Da kommt es gerade.« Sie deut e te nach Süden.
    Er beschirmte seine Augen mit der Hand. »Außer einem  Baumstamm, der im Wasser treibt, kann ich nichts sehen.«
    »D u bis t Ergil , nich t wahr?«
    »Ja. Mein Bruder schläft. Wie hast du das erraten?«
    »Twikus schert sich nicht um Treibholz. Er hätte g ar nichts bemerkt. Du dagegen hast den Blick für die vielen kleinen Einzelteile, aus denen sich oft ein Ganzes zusammensetzt.«
    »Wi e meins t d u das?«
    Sie kicherte. »Du wirst es gleich sehen.«
    Bald tauchten weitere Schatten hinter der Flussbiegung auf. Abert a usende von Lichtreflexen erschwerten es den Beobachtern, die genaue Gestalt der Gegenstände zu erkennen. Nicht alle waren Stämme, so viel hatte Ergil schnell bemerkt. Und jetzt stellte er noch etwas anderes fest. Die dunklen Flecken auf den glitzernden Fluten bewegten sich schneller, als es die träge Strömung des Fendenspunds zulassen dürfte.
    »Was ist das, Kira?«, flüsterte Ergil.
    »Sei nicht so ungeduldig.« Die Elvin gluckste. Ihr schien das  Rätselraten einen Riesenspaß zu bereiten.
    Der erste Stamm rauschte heran. Er hielt genau auf die Uferstelle zu, wo Ergil, Falgon und jetzt auch wieder Dormund standen, um die merkwürdigste Prozession zu bestaunen, die sie je gesehen hatten.
    Es ist nicht alles Treibgut«, erklärte die Prinzessin vergnügt. Nein, das war es nicht. Um den Stamm herum wimmelte es im Wasser. Genau genommen trieb das Holz nicht, es wurde  geschoben. Von abertausenden kürbisgroßer Krebse. Sprachlosigkeit machte sich breit. Auch Schekira schwieg auf  Ergils Schulter, wie eine stolze Künstlerin, die voll stiller
    Genugtuung ihre Inszenierung bewunderte.
    Bald trafen weitere Floßteile ein: Baumstämme, Schiffsplanken, große Blätter, eine hölzerne Hauswand mit Fensteröffnung, ein fadenscheiniger Teppich, abgerissene Luftwurzeln und lange Pflanzenfasern, e i n riesiger Knochen, eine Teetasse, ein roter Mantel, eine Fahne mit unbekanntem Wappen sowie eine erstaunliche Kollektion flacher, tischgroßer Bimssteine. Jedes Bauteil war umsäumt von einer Schaumkrone, weil die zangenbewehrten Wasserbewohner wie ekstatisch wuselten und zappelten.
    »Wenn die in Milch schwimmen würden, dann hätten wir bald Butter«, stellte Dormund mit seinem auf Zweckmäßigkeit getrimmten Verstand fest. Er klang jedoch alles andere als begeistert.
    Im Gegensatz zu Ergil. »Ist das nicht« – angestrengt suchte er nach einem passenden Wort – »berauschend?«
    »Ja. Da ist es fürwahr! Aber ich mag keine Krebse.«
    Falgon schnaubte. »Du sollst sie ja nicht essen, mein Freund. Wäre irgendwie auch unfair, nachdem sie uns dieses Floß zusammenzimmern. Allerdings traue ich der Sache auch nicht recht. Seit wann bauen Krustentiere Wasserfahrzeuge?«
    »Ich glaube, es sind Drachenkrebse«, grübelte Ergil. An den Gewässern des Großen Alten hatte er ab und zu diese riesigen, wanderlustigen Gliederfüßler beobachtet. Eini g e der fleißigen Exemplare hier besaßen den Durchmesser eines Rundschildes. Am liebsten wäre der wissensdurstige Prinz zu ihnen ins Wasser gestiegen. Schon schoben sich seine Stiefelspitzen ins  Nass, als er aus den Augenwinkeln etwas aufblitzen sah. Er hörte ein Klatschen, aber als er zu der Stelle im Fluss blickte, war der Verursacher des Geräuschs schon untergetaucht.
    »Wa s wa r das ? Ei n Fisch?« Schekira lachte.
    »Ode r ei n Otter?«
    »Lasst das ja nicht eure Bootsleute hören, sonst sind sie zutiefst gekränkt.«
    » Boots…?« Ergils Augen verengten sich. Jetzt konnte er unter der Wasseroberfläche zwei helle Schemen ausmachen, die mit enormer Geschwindigkeit hin- und herflitzten. Es war unglaublich. Wie Hirtenhunde trieben sie immer mehr Krebse zu dem Uferplatz, an dem hunderte von Zangen ein Floß zusammensetzten.
    »Hast du sie immer noch nicht erkannt?«, fragte Schekira, weil Ergils Staunen kein Ende nehmen wollte.
    »Sind das… Flussgolder?«
    Die Elvin schoss einige Fuß weit in die Höhe. »Gratuliere! Du hast richtig geraten !«
    Dormund schüttelte den Kopf. »Ich fass es nicht.«
    »Keine Angst, die Golder sind ganz harmlos«, beruhigte ihn die Prinzessin. »Abgesehen davon, dass sie dir mit ihrem Geplapper den Nerv töten können.

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