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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Schekira schüttelte tadelnd den Kopf, begleitet von einem schnatternden Geräusch, das sie mit ihrer Zunge am Gaumen erzeugte.
    »Im Vergleich zum schwarzen Schwert war es eher nebensächlich«, verteidigte sich der König.
    »Und worum handelt es sich?«
    »Am Anfang habe ich die Sooderburg erblickt. Sie sah aber nicht aus wie die Festung, die ich kenne. Nicht so schlicht und trutzig, sondern… anmutig. Die Gebäude besaßen Kuppeln, Erker, Türmchen und überall weiche Linien. Sie waren nicht grau, sondern so hell wie der Knochenturm.«
    »Du meinst wie Drachenbein?«
    »Ja.«
    Sie nickte. »Ich habe davon gehört.«
    »Wovon?«
    »Du weißt, dass der Knochenturm von den Sirilim erbaut wurde. Er ist nicht das einzige Bauwerk, das sie auf der Klippe errichteten.«
    »Sicher. Inimai sagte, nach der Überlieferung habe sich an gleicher Stelle ein Außenposten des Alten Volkes befunden.«
    »Und den hast du im Traum gesehen.«
    »Das passt aber nicht mit den späteren Bildern zusammen, dem schwarzen Schwert…«
    »Hat dir Múria nie erzählt, dass einige Sirilim die Gabe besaßen, sich und ihren Besitz in den Falten der Welt zu verstecken? Was du gesehen hast, war nicht die ferne Vergangenheit. Unbewusst hat dich dein Traum in eine benachbarte Falte geführt. Dort steht der Palast der Schönen immer noch.«
    »Du meinst, so ähnlich wie der Sternenpfad, der uns letztes Jahr auf Olams Insel führte?«
    »So ungefähr.«
    »Und der Knochenturm?«
    »Den haben die Sirilim aus irgendeinem Grund in unserer Welt gelassen. Vielleicht, damit man ihren verborgenen Palast eines Tages wiederfindet.«
    Ergil dachte einen Moment darüber nach.
    Schekira ließ wieder ihre Beine baumeln. »Ich nehme an, die strahlende Schönheit des Drachenbeinpalastes ist nicht der eigentliche Grund für deine gedrückte Stimmung.«
    »Kannst du Gedanken lesen?«
    Sie schmunzelte. »Nein, aber du hast von ein ›paar anderen Dingen‹ in deinem Traum gesprochen. Was war da noch?«
    »Eine Leiter.«
    »Huh! Klingt bedrohlich.«
    »Veralbern kann ich mich alleine.«
    Schekira musterte Ergil aus dem Krodibo-Geweih.
    »Was ist, Kira?«
    »Verrat mir eins: Wozu ist eine Leiter da?«
    »Das weißt du so gut wie ich. Um irgendwo hinaufzuklettern.«
    »Mit anderen Worten, zum Erreichen einer höheren Ebene.«
    »Meinetwegen auch das.«
    »Siehst du! War doch gar nicht so schwer.«
    Wieder blinzelten Ergils Augen hinter den Sehschlitzen der Schneebrille. »Du sprichst in Rätseln, Prinzessin.«
    Schekira seufzte. »Die Leiter ist ein Traumbild, das dir etwas über dich selbst verraten will. Du spürst eine Veränderung auf dich zukommen. Bist du die Leiter emporgestiegen?«
    »Nein. Ein Stück weit habe ich mich ihr genähert, aber dann bin ich aufgewacht.«
    »Verstehe.« Die kleinen Beinchen der Elvin schaukelten im Takt der Krodiboschritte.
    Ergil stöhnte. »Wie schön für dich. Und? Kannst du mich aufklären?«
    Sie kicherte. »Ich will mal so sagen: Weil du die Gabe besitzt, die Falten der Zeit zu durchdringen, und du die Leiter unmittelbar nach dem Verschwinden des schwarzen Schwertes gesehen hast, dürfte wohl alles zusammenhängen.«
    »Und das bedeutet?«
    »Liegt das nicht auf der Hand? Es hat schon heute früh angefangen.«
    »Was?«
    »Du bist endlich aus deinem Labyrinth herausgekommen, in das du dich fast ein halbes Jahr lang verkrochen hattest.«
    »Deshalb habe ich von der Leiter geträumt?«
    Die Prinzessin verdrehte die Augen zum Himmel. »Was bist du heute wieder schwer von Begriff! Du hast am Morgen dein Zuhause verlassen, aber das war nur die erste Sprosse. Der Traum bedeutet, Schmerz wird dich verändern. Du wirst von diesem Ritt nicht als derselbe zurückkehren, als der du aufgebrochen bist.«
     
     
    Niemand in Bjondal wusste von dem hohen Besuch. Damit das vorerst auch so blieb, ging die Reisegruppe einige Meilen nördlich der Stadt an Land. Fingards Bruder besaß hier einen Bauernhof. Der Landmann war anfangs nicht besonders erfreut über den unverhofften Besuch. Nach der kargen Ernte reichte das Essen kaum, um seine eigene Familie durchzubringen. Aber als er die Krodibos sah, änderte sich das schlagartig. Einer der vermummten Reiter musste der König sein, so viel war ihm sofort klar.
    Die ihm widerfahrende Ehre versetzte den Bauern in einen Freudentaumel. Um das Feuer seiner Gefühle nicht auf die Nachbarschaft übergreifen zu lassen, wurde er mit einigen Münzen aus der Schatulle des Monarchen ruhig gestellt. Davon konnte

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