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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Namens Kaguan näher zu beschreiben. Vielleicht lag es an der Alten Gabe, die er von seinen Sirilimvorfahren geerbt hatte, dass er dem Rätsel um die Absichten und die Natur des Fremden eine so große Bedeutung beimaß. Er konnte fühlen, wie sich etwas ankündigte, das kaum noch aufzuhalten war. Am liebsten hätte er auf der Stelle sein Krodibo bestiegen und wäre nach Bjondal hinübergeritten. Aber dazu fühlte er sich nach den Strapazen des Nachmittags viel zu schwach.
    »Der Tag war anstrengend«, sagte er. »Lasst uns zu Bett gehen, damit wir morgen früh wieder bei Kräften sind.«
    Múrias schmale Augenbrauen gingen in die Höhe. »Du willst doch nicht etwa deinen sicheren Kaninchenbau verlassen und höchstpersönlich den Soodlandbelt überqueren?«
    »Wäre das so schlimm?«
    Sie lächelte verschmitzt. »Ganz im Gegenteil.«
    In der Nacht hatte Twikus einen Traum. An sich hätte dieser Umstand kaum eine Erwähnung verdient, weil die Sirilimzwillinge seit ihrem Einzug in die Sooderburg fast täglich von ihrer Mutter träumten. Aber nach dem merkwürdigen Erwachen des gläsernen Schwertes und dem beunruhigenden Bericht des Boten Fingard stiegen aus dem Schlaf des Königs Bilder ganz anderer Natur herauf.
    Zunächst kam es Twikus wie ein Rückblick vor. Schon einmal, als er in Múrias Seeigelwarte übernachtet hatte, war er, einem Adler gleich, über die Insel im Schollenmeer geflogen. Diesmal schwebte er von Norden auf die Sooderburg zu. Dem flüchtigen Betrachter hätte sich eine friedvolle Aussicht präsentiert: keine schwarze, aus dem Palast emporlodernde Lohe, die Insel und das Schollenmeer wurden auch nicht von nachtfarbenem Eis zugedeckt. Aber er spürte, wie trügerisch all das war.
    Der Flug in schwindelnder Höhe ließ ihn begreifen, wie mächtig die kalte Fessel war, die das ganze Land seit dem Spätsommer gefangen hielt. Der glitzernde Panzer gab sich strahlend weiß, täuschte mit einer Makellosigkeit, die dem fliegenden König alles andere als geheuer war…
    Makellosigkeit? Jetzt erst, nachdem er sich der Festung um einige Meilen genähert hatte, fiel ihm die Veränderung auf: Die Gebäude strahlten hell im Sonnenlicht, so elfenbeinern bleich wie der Knochenturm. Ja, es standen völlig andere Bauwerke auf der Klippe. Ihre Kuppeln und Türmchen wirkten verspielt und leicht, ihre schwungvollen Formen und Verzierungen wie aus einer anderen Welt…
    Plötzlich erschrak er. Zu seiner Linken schob sich etwas Monströses in sein Blickfeld. Finster und bedrohlich wuchs es vor den Stadttoren Bjondals aus dem Meer.
    Zuerst glaubte Twikus, die schwarze Lohe hätte sich zum Umzug aufs Festland entschlossen, nachdem sie auf der Insel nicht mehr willkommen war. Aber bald wurde ihm sein Irrtum bewusst. Dieses aus den dunklen Tiefen der See aufsteigende Etwas war von anderer Natur. Es handelte sich um ein gigantisches Schwert aus schwarzem Kristall. Der König in den Wolken erkannte es sofort wieder.
    Es war Schmerz, Wikanders Unheil bringende Klinge.
    Langsam erhob sie sich aus den aufgetürmten Eisschollen und war bald größer als der Knochenturm samt Klippe. Immer höher streckte sie sich empor.
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, flog Twikus direkt auf das ungeheuerliche Ding zu. Als der Handschutz durchs Eis brach, wurde es mit Wucht aufgesprengt. Das Heft befreite sich aus dem frostigen Panzer, ein regelrechter Wasserfall regnete herab und das schwarze Ungetüm glitt dem Himmel entgegen.
    Jetzt erst stellte sich bei dem Beobachter Besorgnis ein. Ihm dräute, dass er sich in großer Gefahr befand. Die riesenhafte Spitze sauste von unten und er von Nordwesten herbei. Beide Flugbahnen würden sich kreuzen, sofern er Kurs und Geschwindigkeit beibehielt. Twikus versuchte anzuhalten oder wenigstens die Richtung zu wechseln, aber alles Wollen und Wünschen änderte herzlich wenig. Der Zusammenstoß schien unabwendbar.
    Twikus schrie. Wenigstens das gelang ihm. Er tastete nach Zijjajims Blütengriff, doch das gläserne Schwert klammerte sich mit einem unentwirrbaren Knoten an ihm fest. Also schrie er weiter. Schmerz kam immer näher. Die dunkle Kristallspitze war zu groß, um ihn aufzuspießen, aber sie würde ihn mit Sicherheit zermalmen. Der König brüllte sich die Lunge aus dem Leib. Als der Augenblick des Zusammenpralls unmittelbar bevorstand, hielt Twikus den Atem an.
    Und in diesem Moment drehte sich die schwarze Klinge in die Waagerechte und schoss mit unglaublicher Geschwindigkeit nach Osten davon. Der

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