Mirad 02 - Der König im König
vergaß, war die Mattigkeit, die das verbrannte Gift bei den Geretteten hinterließ. Nachdem Kaguan sich das Schwert zurückerkämpft hatte, war er sogar zu schwach gewesen, um sich seiner Verfolger mit einem Lied der Macht zu entledigen. Fast hätten ihn die Bogenschützen des Mazars gestellt. Nicht die Gewalt über die Elemente, sondern einzig die Macht des Geistes hatte ihn gerettet. Man konnte es auch List nennen. Er brauchte dringend Ruhe.
Kaguan formte an der Vorderseite seines Kopfes eine Fratze, die er für hinreichend abstoßend hielt, um die Prinzessin für einige Zeit auf Abstand zu halten. Die Augen dieser Maske waren genau auf Nishigo gerichtet. Aber sie sahen nichts, denn schon nach kurzer Zeit schlief der Zoforoth ein.
Als Kaguan erwachte, war die Prinzessin verschwunden. Er stieß einen Fluch aus, den niemand hörte und selbst wenn, keiner verstanden hätte. Rasch schlich er in den angrenzenden Kanal. Die Schuppen an seinem Körper zitterten vor Erregung. Düstere Farbenspiele huschten darüber hinweg. Sollte er die Prinzessin einfach laufen lassen?
Nein. Noch war er nicht in Sicherheit. Mit ihr als Faustpfand konnte er die ganze susanische Armee in Schach halten. Mehrere Wellen gingen über seinen Leib hinweg: Die Schuppen richteten sich in Gruppen auf und legten sich wieder. Dann hatte er die Witterung des Mädchens aufgenommen.
Mit der Flinkheit einer Küchenschabe schoss der Zoforoth durch die Tunnel. Die Fährte der Prinzessin war noch frisch. Sie konnte nicht weit sein. Offenbar war sie auf der Suche nach einem Ausgang ziellos umhergeirrt, hatte sich mal nach links, mal nach rechts gewandt.
Und dann spürte er sie vor sich auf. Weil seine lichtempfindlichen Hautfacetten in den Tunneln so gut wie blind waren, verließ er sich hauptsächlich auf seinen Sinn für Wärmeunterschiede. Dieser zeigte ihm Nishigos zierlichen Körper als rötlich gelben Schemen. Sie hatte einen Schacht gefunden und war gerade dabei, die Eisentritte emporzusteigen.
Er beschleunigte sein Tempo, krabbelte an der Tunnelwand entlang und hinein in den Schacht. All dies vollzog sich so leise, dass die Prinzessin ihn nicht hören konnte. Sie war jetzt direkt über ihm und versuchte den Deckel des Abflusses emporzustemmen.
Kaguan kroch von hinten an sie heran. Dann schlug er so plötzlich zu wie eine Gottesanbeterin auf Beutefang. Er umfasste gleichzeitig Nishigos Mund und Taille.
»Netter Versuch, Prinzessin«, flüsterte er in ihr Ohr. »Beim nächsten Mal breche ich Euch das Genick.«
Der Landweg zum Gebirge von Harim-zedojim war weit, beschwerlich und für einen fliehenden, geschwächten Zoforoth kaum zu bewältigen. Vermutlich hatte Oramas nicht nur eine leere Drohung ausgesprochen, als er Kaguan das Bild einer Hatz ausmalte, in der ihn die gesamte Bevölkerung von Susan jagte. Aber er wollte den Herrn in den Eisigen Höhen ohnehin nicht länger als unbedingt nötig warten lassen. Deshalb hatte Kaguan früh vorgesorgt. Schon an den Gestaden des Schollenmeers, um genau zu sein.
Im Zwielicht der Dämmerung verließ er mit seiner Gefangenen und dem Schwert Schmerz die Kanalisation durch ein großes Abflussrohr, das in den Ban mündete. Schnell hatte Kaguan gefunden, wonach er suchte: ein kleines, schnelles Segelboot, jenem sehr ähnlich, mit dem er nach Silmao gekommen war. Nishigo ließ sich widerstandslos in das Gefährt stoßen. Bevor die Sonne aufgegangen war, segelten sie bereits in Richtung Nimmermeer.
Die Mündung des mächtigen Stromes Ban bildete eine schmale, fast einhundertfünfzig Meilen tiefe Bucht, an deren westlichem Ende die susanische Hauptstadt lag. Zwei- bis dreihundert Fuß hohe Klippen säumten die Ufer des Fjords.
Auf dem Weg zum Ozean kämpfte Kaguan gegen Schmerzen und Entmutigung an. Seine Gegner hatten ihm sämtliche Helfer genommen, zuletzt sogar den beflissenen Kizmoh. Magos würde ihm jederzeit Verstärkung senden, aber der Kitora war weit. Kaguan saß an der Ruderpinne. Er hätte natürlich eine frische Brise und eine stärkere Strömung heraufbeschwören können, aber die dazu notwendige Kraft würde er bald dringender brauchen. Also segelte er auf herkömmliche Weise.
Sein Blick löste sich von dem Kristallschwert zu seinen Füßen, für das so viele Opfer erbracht worden waren. Unwillig musterte er die Prinzessin. Sie war im Bug des Schiffes zusammengesunken und hatte ihm, wohl zum Zeichen ihrer Verachtung, den Rücken zugewandt. Reglos wie eine Galionsfigur starrte
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