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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Kristall, aus dem Tarin diese Nadel gefertigt hat, ist ursprünglich Magon übergeben worden, um Mirad zu knechten. Verzeiht meine Offenheit, Majestät, aber wir sollten nicht auf Vorzeichen aus einer dunklen Quelle vertrauen, sondern lieber unser Schicksal selbst in die Hand nehmen.«
    Koichi und Masake wechselten beklommene Blicke, als habe der Gast aus Soodland schon wieder gegen die susanischen Anstandsregeln verstoßen. Oramas dagegen zeigte kein Interesse an solchen Befindlichkeiten, durch die das Leben seiner Tochter nicht gerettet, sondern eher zusätzlich gefährdet werden konnte.
    »Wohl wahr!«, lobte er daher Ergils Entschlossenheit. »Lasst uns hinaufgehen und zusehen, wie wir der Ginkgonadel ihr Geheimnis entlocken.«
     
     
    Der Kompass war aus Messing und stammte von einem Schiff der susanischen Seestreitkräfte. Er hatte den Durchmesser einer Suppenschüssel und funktionierte nicht mehr. Jedenfalls nicht so, wie ein Kapitän es von ihm erwartet hätte. Die Gemeinschaft des Lichts hingegen stellte an das nautische Gerät Anforderungen von ganz anderer Art.
    Die gesamte Gruppe war in Oramas’ Dachgemach zurückgekehrt. Während sich Mujo und Múria einträchtig um Tikos Kopfwunde kümmerten, setzte Dormund, streng beäugt von den Übrigen, die Apparatur nach den Anweisungen seines jungen Handwerksgenossen zusammen.
    Zuerst füllte er den runden Messingbehälter mit feinem Nardenöl, das Mujo aus seinen Heilmittelbeständen beigesteuert hatte. Dann setzte er die Ginkgonadel auf den haarfeinen Stift im Zentrum des Gehäuses. Ihr Schwerpunkt befand sich genau an der Stelle, wo Ergil zuvor das winzige Loch entdeckt hatte. Es handelte sich dabei also nicht um einen Makel, sondern war von Tarin mit Bedacht dort platziert worden, um die Nadel fixieren zu können. Abschließend wurde der Kompass mit einer kreisrunden Glasplatte dicht verschlossen. Dormund rückte ihn in die Mitte des flachen Tisches. Gespannt blickten alle auf die im Öl zitternde Ginkgonadel.
    »Sie bewegt sich«, flüsterte er.
    »Es scheint zu funktionieren!«, hauchte Oramas aufgeregt.
    »Das Schwert Schmerz ist genau dort, wo sich das Blatt hinwendet, Majestät. Stellt Euch den Spalt wie eine Zielvorrichtung vor«, erklärte Tiko.
    General Koichi senkte sein Kinn fast bis auf die Tischplatte, so als wolle er die Linie der Nadel über diese Kimme hinweg bis in die Unendlichkeit fortsetzen. »Sie zielt genau nach Osten. Zum Nimmermeer«, stellte er mit der Unerschütterlichkeit des erfahrenen Strategen fest.
    Tiko ignorierte die mit seinem Verband beschäftigten Heiler und nickte gewichtig. »Jetzt wissen wir also, wohin wir uns wenden müssen, um den Mörder meiner Familie zu finden.«

 
    20
     
    DIE FLUCHT
     
     
     
    Die Tränen hatten alle Kraft aus ihr herausgeschwemmt. Nishigo wehrte sich nicht mehr. Gut, dachte Kaguan. Anfangs, als er mit ihr in den Schacht gesprungen und durch einen Abwasserkanal geflohen war, hatte er mit dem Gedanken gespielt, dem zappelnden, kratzenden und beißenden Mädchen gleich den Hals umzudrehen. Inzwischen hielt er es für die bessere Entscheidung, die Tochter des Mazars erst einmal am Leben gelassen zu haben. Möglicherweise konnte sie ihm doch noch nützlich sein.
    Oramas III. hatte, wie es schien, die ganze susanische Armee mobilisiert, um den Entführer Nishigos zu fangen. An verschiedenen Stellen des Tunnellabyrinths war brennendes Öl durch die Schächte in die Kanalisation gekippt worden, damit der Zoforoth an die Oberfläche zurückkehrte. Alles, was man dadurch erreichte, war ein Aufmarsch tausender von Ratten in der Stadt.
    Kaguan stieß die Prinzessin in eine Kammer, welche ihm und Kizmoh vor dem Überfall auf die Schmiede als Unterschlupf gedient hatte. Es war ein dreckiges, aber im Vergleich zu den Tunneln trockenes Loch. Früher hatten hier Kanalarbeiter ihre Werkzeuge gelagert und die Ruhepausen verbracht. Der dicken Schicht aus zusammengebackenem Staub nach zu urteilen, die auf ihren Hinterlassenschaften klebte, musste das schon vor einer Ewigkeit gewesen sein. Nishigo rollte sich auf einer Pritsche aus halb vermoderten Holzlatten zusammen.
    Ihr Bewacher hockte sich wie eine riesige Spinne genau vor den Ausgang.
    Der Armstumpf setzte Kaguan stärker zu, als er es sich eingestehen wollte. Magos hatte einmal gesagt: »Die von Schmerz geschlagenen Wunden können nur mit Feuer gereinigt werden. Wer dies versäumt, stirbt einen langsamen, qualvollen Tod.« Was der Gebieter zu erwähnen

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