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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sie über den Steven hinweg nach Osten.
    Bald würde er sie nicht mehr brauchen.
    Zuletzt hatte Kaguan sogar darauf verzichtet, ihr eine Furcht einflößende Grimasse vorzugaukeln. Nach Nishigos Fluchtversuch war dieses Mittel der Abschreckung verbraucht. Ein paar Mal begegneten ihnen auf dem Weg zum Meer andere Schiffe. Dann genügte es, die Prinzessin an seine Drohung zu erinnern: Wenn sie um Hilfe rief oder andere Schwierigkeiten machte, würde er ihr das Gesicht auf den Rücken drehen. Sie hatte offenbar verstanden, was er damit meinte.
    Am späten Nachmittag verlor er das Nordufer des Fjords aus den Augen und als die Sonne sich hinter Kaguan auf den Horizont senkte, sah er vor sich den schier endlosen Ozean. Das grünliche Wasser wurde rasch dunkler. Tief genug, dachte Kaguan und lenkte das Schiff in eine kleine Bucht am Südufer des Fjords.
    Die Stelle war für seine Zwecke ideal. Sie lag neben einer etwa hundert Fuß hohen Klippe, die sich weit über das Wasser lehnte. Der Zoforoth befestigte das Schiff mit einer Leine an einem Felsen und zerrte Nishigo an Land. Sie schien zu ahnen, was nun folgen sollte, denn ihr Blick erklomm die vorspringende Klippe. Zum ersten Mal seit Stunden ließ sie sich dazu herab, das Wort an ihn zu richten.
    »Was habt Ihr vor?«
    Er konnte ihre Furcht riechen, ein für ihn durchaus angenehmer Duft, der ihm einen klickernden Laut der Heiterkeit entlockte. »Ich besorge uns ein schnelleres Transportmittel, Hoheit.«
    »Uns oder Euch allein?«
    Kaguan keckerte belustigt. »Seid Ihr etwa darauf erpicht, mich zu begleiten?«
    In ihren braunen Augen spiegelte sich Abscheu. »Nichts liegt mir ferner. Lasst mich einfach hier beim Schiff zurück, dann seid Ihr mich los.«
    Er schüttelte den Kopf – ein Zugeständnis an die zappelige Körpersprache der Menschen. »So schnell mag ich mich nicht von Euch trennen, Prinzessin. Kommt mit mir auf den Felsen und lasst uns dort oben voneinander Abschied nehmen.«
    Ohne seiner Gefangenen weitere Gelegenheit zum Einspruch zu geben, zerrte Kaguan sie weiter. Der Weg auf die Klippe war nicht mehr als eine Linie in seiner Vorstellung, die durch die gedankliche Verbindung verschiedener Vorsprünge, Risse und Grate entstand. Für den Zoforoth bedeutete das Erklimmen der schroffen Felsen keine größere Anstrengung als ein Spaziergang durch den Palastgarten von Silmao. Weil Prinzessinnen für derartige Klettereien jedoch erheblich weniger geeignet sind, warf er sich Nishigo bald über die Schulter und trug sie einfach den Rest der Strecke hinauf. In seiner rechten Nebenhand hielt er das Kristallschwert.
    Kurze Zeit später erreichten sie den höchsten Punkt der Klippe. Im Westen verschwand gerade die Sonne am Horizont. Kaguans rechte Haupthand deutete zu dem feurigen Ball. »Die Aussicht müsste Euch doch gefallen, Prinzessin. Genießt sie, solange Ihr noch könnt.«
    Weil Nishigo ihm auf der hohen Klippe schwerlich davonlaufen konnte, ließ er sie los, trat bis an den Rand, unter dem sich sacht das dunkle Meer bewegte, und weidete sich einen Moment lang am Anblick ihrer unglücklichen Miene. Es bereitete ihm eine stille Freude, die sich darin spiegelnden Gefühle zu erraten. Unverkennbar sah er Furcht, dann Enttäuschung und Wut. Aber auch Trotz?
    Als sie mutlos in sich zusammensank, wurde er des Spieles überdrüssig und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe. Hierzu stach er die Schwertspitze etwa zwei Handbreit tief in den Fels, stützte sich mit der gesunden Nebenhand auf das Heft, sammelte noch einmal Kraft, versetzte sodann sein Zwerchfell in Schwingung und begann zu singen.
    Am Anfang klang das Lied der Macht noch sehr verhalten. Vielleicht genügten ein paar leise, unangestrengte Töne, hoffte er. Das Nimmermeer tief unten war nur leicht bewegt. Kaguans Schuppen bildeten ein riesiges Facettenauge, das die Wasseroberfläche absuchte. Er sah aber nichts als Wellen. Plötzlich hörte er hinter sich ein Schaben, wie wenn eine Schuhsohle von einem Stein abrutscht. Seine Aufmerksamkeit verlagerte sich auf die andere Seite seines Körpers – äußerlich blieb er dabei völlig unbewegt – und er sah, was er kaum für möglich gehalten hatte.
    Nishigo schickte sich gerade an, von der Klippe zu klettern.
    Ihre Beine waren schon hinter dem Plateau verschwunden und sie suchte festen Halt für ihre Hände, vermutlich um sich auf einen tiefer liegenden Absatz hinabzulassen.
    Die Stimme des Zoforoth schwoll zornig an. Wasserschleier hoben sich aus dem

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