Mirage: Roman (German Edition)
mal wieder Wein.«
»Ach, was soll ich sagen, ich finde das ja auch zum Kotzen , wenn er das tut«, erklärt Isaak grinsend.
Der Einsatzleiter richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf den Jungen. »Warum sollten Juden Wein schmuggeln, wenn sie ihn ganz legal importieren können?«
»Um … um … Steuern zu sparen …«
»Wie, wegen ein paar Rial riskieren die es, ins Kittchen zu wandern?«
»Sie sind Juden!«
Darauf brechen alle Beamten in Gelächter aus. Isaak zerschneidet die Stanniolkappe der »Wein«-Flasche und entkorkt sie. Er schnüffelt, führt dann den Flaschenhals an den Mund.
»Und?«, fragt Samir.
»Ein guter schottischer Jahrgang.« Isaak tut einen zweiten, noch kräftigeren Zug aus der Flasche. »Um die achtzig Volumenprozent, würde ich sagen.«
»Achtzig was? « Hier lässt der einstudierte Text den Bootsführer im Stich. »Was bedeutet ›Volumenprozent‹?«
»Das ist Schnaps, du Arschloch«, erklärt ihm Samir. »Ein Kapitalverbrechen. Genauer gesagt, ein mehrfaches Kapitalverbrechen, wenn wir jeden Karton als einzelne Lieferung werten. Wie viele Kartons sind’s, Isaak?«
»Mindestens vierzig. Und wie es aussieht, sind in jedem Karton zwei Dutzend Flaschen, wenn du also ein wirklich harter Hund sein willst, könntest du die doppelt zählen.«
Samir stößt einen Pfiff aus. »Achtzig Fälle von Verstoß gegen das Alkoholgesetz … Und das bei einer Mindeststrafe von fünf Jahren pro Verstoß … Du bist wahrscheinlich nicht sonderlich gut in Kopfrechnen, aber hast du eine Ahnung, wie total im Arsch du damit bist?«
»Das ist Wein! Das haben die mir gesagt …«
»Wer ›die‹? Hey!« Samir packt ihn am Kinn. »Sieh mich an! Wer hat dich angeheuert?«
»Niemand … Die Juden.«
»Die Juden!« Samir schnaubt angewidert. Ohne das Kinn des Jungen loszulassen, tritt er dicht an ihn heran. »Achtzig Fälle von Alkoholschmuggel. Das ist so gut wie lebenslänglich, kapiert?«
»Ich … ich …«
»Ja, fang an zu flennen! Das wird dir garantiert helfen, da, wo du hinkommst …« Samir rückt noch näher heran, als wollte er ihn küssen, und dämpft seine Stimme zu einem verführerischen Flüstern. »Du hast schöne Augen, weißt du das? Deine Mithäftlinge in Abu Ghraib – ich wette, die werden ganz verrückt nach diesen Augen sein …«
8 Uhr 23. Auf dem Internationalen Flughafen Bagdad haben sich zwei Agenten des Arabischen Bundesamts für Ermittlung auf dem Dach des Kontrollturms einen Beobachtungsposten eingerichtet. Gegenstand ihres Interesses ist ein palastartiges Anwesen auf einer Insel in einem östlich von ihnen gelegenen künstlichen See. Ein von bescheideneren Villen gesäumter Damm verbindet die Insel mit dem Festland, und vom Kontrollturm aus kann man hervorragend die Nummernschilder der Fahrzeuge auf der Dammstraße erkennen.
Während Rafi das Anwesen durch ein Teleskop mit daran angeschlossener Kamera beobachtet, plaudert Amal mit einem Flughafenmanager, der sie aufs Dach geführt hat. Vorgeblich geht es in dem Gespräch um einen Ring von Gepäckdieben, doch vermutlich ist der Mann lediglich auf die private Telefonnummer der ABE-Agentin aus.
»… Perser mit gefälschten Arbeitsvisa«, erklärt er gerade. »Die schleichen sich durch das Marschland über die Grenze und besorgen sich beim örtlichen Gaunergesindel falsche Papiere.«
»Perser.« Amal versteht den Subtext auf Anhieb. Dem südlichen Akzent nach zu schließen, stammt der Mann von der Golf-Halbinsel, und da Amal und Rafi Bundesagenten sind, geht er offenbar davon aus, dass sie aus Riad kommen und damit Sunniten sind und keine nichtsnutzigen Perser oder Marsch-Iraker, die allesamt Schiiten sind. »Wissen Sie, wir kennen den Obergauner hier recht gut«, sagt sie und zeigt auf das See-Anwesen, »und ich muss Ihnen sagen, dass er sich nicht allzu viel aus Persern macht. Oder den Leuten aus dem Marschland.«
» Das ist nicht der Gauner, von dem ich rede. Er ist ein Halunke, das stimmt. Aber die wirklichen Verbrecher, um die Sie sich kümmern sollten, sitzen im Rathaus.«
Amal gibt sich verblüfft. »Wollen Sie damit sagen, der Stab der Bürgermeisterin von Bagdad sei korrupt?«
»Dieses inkompetente Frauenzimmer stammt doch aus demselben Sumpf, durch den sich die Perser ständig ins Land schleichen! Also, was sagt Ihnen das?« Der Manager hält kurz gebannt inne, da die Brise eine lose Strähne von Amals Haar erfasst. »Wissen Sie«, fährt er dann fort, »irgendwie sehen Sie ihr ein bisschen ähnlich.«
»Na,
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