Miramar
Familie
Allam in Tanta.«
Es kam mir so vor, als ob Tolba Marzuq
sie kenne, aber er vermied nach Möglichkeit jedes Gespräch.
»Er besitzt hundert Feddan.« Sie sagte
das mit einem solchen Stolz, als handle es sich um ihren eigenen Besitz. »Nicht
mehr und nicht weniger, denn die Revolution hat ihn nicht angetastet.« Sie
frohlockte so, als sei sie selbst der Enteignung entgangen. »Er ist nach
Alexandria gekommen, um sich eine Arbeit zu suchen.«
»Warum bestellen Sie denn Ihren Boden
nicht?« fragte ihn da Sarhan.
»Ist verpachtet«, antwortete er knapp.
Sarhan blickte ihn scherzhaft prüfend
an und meinte: »Geben Sie nur zu, daß Sie in Ihrem ganzen Leben auch nicht eine
Handbreit Boden selbst bestellt haben!«
Alle drei lachten, aber Husni lachte
lauter und dröhnender als die beiden anderen. Dann zeigte Madame auf Mansur
Bahi: »Und der hier ist der Bruder eines alten Freundes, eines der besten
Polizeioffiziere, die Alexandria je gekannt hat.«
Tolba nutzte die Gelegenheit, daß alle
zum Glas gegriffen hatten, neigte sich zu mir und flüsterte: »Wir sind hier in
einem Nest von Spitzeln.«
Ich raunte ihm meinerseits zu: »Diese
barbarischen Zeiten sind vorüber, seien Sie nicht albern!«
Doch da drängte sich die Politik in
unser abendliches Gespräch.
Sarhan begann mit einem grenzenlosen
Enthusiasmus: »Der Rif ist nicht wiederzuerkennen!« Seine Stimme klang
unterschiedlich, je nachdem, ob er beim Sprechen gerade den Mund voll hatte
oder nicht. »Genauso die Arbeiter. Ich bin ja in der Spinnerei-Gesellschaft
täglich mit ihnen zusammen.
Kommen Sie, und überzeugen Sie sich
selbst!«
Mansur Bahi — er war bisher der
Schweigsamste gewesen, brach aber manchmal in lautes Lachen aus, als sei er
plötzlich ein anderer geworden — wollte wissen: »Sagen Sie nur, Sie befassen
sich wirklich mit Politik!«
»Ich war in der Befreiungsorganisation
und dann in der Nationalen Union, und heute bin ich Mitglied im Komitee der
Zwanzig sowie Vertreter der Belegschaft im Verwaltungsrat. «
»Haben Sie sich vorher schon mit
Politik beschäftigt?«
»Nein.«
Husni Allam erklärte: »Ich bin zutiefst
überzeugt von der Revolution.
Deswegen gelte ich auch als einer, der
gegen seine eigene Klasse revoltiert, gegen die Klasse, die von der Revolution
beseitigt werden soll.«
»Jedenfalls hat die Revolution Sie auch
nicht tangiert«, warf Mansur Bahi ein.
»Das ist nicht der eigentliche Grund.
Aber sogar die Armen unserer Klasse mögen die Revolution manchmal nicht.«
Mansur Bahi meinte schließlich: »Ich
bin völlig davon überzeugt, daß die Revolution mit ihren Feinden mehr Erbarmen
hatte, als es nötig gewesen wäre.«
Offensichtlich dachte Tolba Marzuq,
wenn er weiterhin schweige, könne ihm das schaden. So sagte er: »Ich habe
Nachteile gehabt, und ich müßte lügen, wenn ich sagte, daß mich das nicht
schmerzt. Aber ich wäre auch ein Egoist, wenn ich leugnete, daß das, was getan
wurde, getan werden mußte.«
Als ich, kurz bevor es Morgen wurde, in
mein Zimmer ging, folgte er mir und fragte mich nach meiner Meinung zu seinen
Äußerungen. Ich sagte mit fremder Stimme, denn ich hatte mein Gebiß
herausgenommen: »Wunderbar!«
»Meinen Sie, daß mir einer geglaubt
hat?«
»Das ist doch unwichtig!«
»Ich sollte mir besser eine andere
Bleibe suchen.«
»Seien Sie doch nicht albern!«
»Jedesmal, wenn ich höre, wie jemand
das preist, was mich umgebracht hat, bekomme ich Rheumatismus.«
»Sie müssen sich daran gewöhnen.«
»So wie Sie?«
»Wir sind grundverschieden. Das wissen
Sie sehr gut«, lachte ich.
Mit den Worten: »Ich wünsche Ihnen
unangenehme Träume« verließ er mich.
Madame hatte nicht
mitgetrunken, sondern nur ein Glas heiße Milch und ein Stück gegrilltes Fleisch
zu sich genommen. Sie sagte: »Umm Kulthums Fehler ist, daß sie so spät
anfängt.« Aber die jungen Männer verkürzten uns die Pein des Wartens.
Mansur Bahi überraschte mich mit der
Bemerkung: »Ich weiß viel über Ihre Vergangenheit.« Eine jungenhafte Freude
überkam mich. Mir war, als sei ich plötzlich wieder in meine Jugendzeit
zurückversetzt. Er erklärte mir:
»Ich habe oft alte Zeitungen
durchgesehen, wenn ich Programme vorbereitete.«
Da ich ihn erwartungsvoll anschaute, um
mehr von ihm zu hören, fuhr er fort: »Das ist wirklich eine lange Geschichte,
und Sie haben sich in bemerkenswerter Weise an unterschiedlichen politischen
Strömungen beteiligt: an der Volkspartei, an der Nationalen Partei, am
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