Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
Vom Netzwerk:
Wafd, an
der Revolution ...»
    Wie in letzter Verzweiflung nahm ich
die Gelegenheit wahr, begab mich auf eine Reise in die Tiefen der
Vergangenheit, sprach mich lobend über Standpunkte aus, die nicht vergessen
werden dürften. Wir gingen die Parteien durch, die Volkspartei, was für und was
gegen sie sprach, die Nationale Partei, ihre Vor-und ihre Nachteile, den Wafd
und wie er die alten Gegensätze beseitigte, seine Basis im Volk, nämlich
Studenten, Arbeiter und Bauern, warum ich mich nach der Unabhängigkeit von ihm
abgewandt hatte und schließlich, warum ich die Revolution unterstützte.
    »Aber Sie haben sich nie für das
soziale Grundproblem interessiert?«
    »Ich habe einige meiner Jugendjahre an
der Azhar verbracht«, lachte ich,
    »so ist es ganz natürlich, daß ich mich
verhalte wie ein Standesbeamter, dessen Sendung im Leben es ist, zwischen dem Orient
und Europa eine statthafte und gesittete Verbindung herzustellen.«
    »Aber ist es nicht seltsam, daß Sie die
beiden einander verfeindeten Parteien gleichzeitig angriffen, ich meine, die
Muslimbrüder und die Kommunisten?«
    »Nein, es war eine Zeit der
Ratlosigkeit. Dann kam die Revolution und hat das Gute, das jede Seite
aufzuweisen hatte, übernommen.«
    »So ist also Ihre Ratlosigkeit nun
vorbei?«
    Ich bejahte. Dann aber dachte ich an
meine private Ratlosigkeit, die von keiner Partei oder Revolution aus der Welt
geschafft werden konnte. Heimlich sprach ich wieder mein ganz persönliches
Gebet, das niemand kannte außer mir.
    Und schließlich kam der Augenblick, da
ich mich mit all meiner Verwirrung im Meer der Melodien und der Freude treiben
ließ. Ich betete zu Ihm, daß aus den sich gegenseitig abstoßenden, einander
zerfleischenden Gliedern ein Körper würde, der vor Geist und Harmonie
pulsierte. Ich bat Ihn, daß Er mich Übereinstimmung und Harmonie mit einer
Ordnung lehre, die von der Macht der Liebe und des Friedens behütet wird. Daß
Er meine Qualen in einer Melodie dahinschmelzen ließe, die meinem Herzen und
meinem Verstand das Glück klarer Weitsicht schenkte. Daß Er sanfte Süße über
dieses Dasein gösse, das sich uns stets widersetzen will.
    Wissen Sie schon das Neueste? Eine
seltsame Nachricht! Das Kabinett hat gestern auf dem Hausboot von Munira al-Machdijja,
der bekannten Sängerin, getagt!
    »Was für reiche, charmante junge
Männer!« Das konnte Mariana nicht oft genug wiederholen. Zuchra hatte immer
mehr zu tun. Aber sie trug ihre Belastungen mit größtem Eifer.
    Tolba Marzuq jedoch erklärte: »Ich
traue keinem von ihnen.«
    »Auch nicht Husni Allam?« fragte
Mariana.
    »Sarhan al-Buheri ist der
Gefährlichste«, fuhr er fort. »Er hat aus der Revolution den größten Nutzen
gezogen. Ganz zu schweigen von der Familie al-Buheri, die niemand kennt. Schließlich
ist jeder, der aus der Provinz al-Buhera stammt, ein Buheri. Auch Zuchra ist
Zuchra al-Buherejja.«
    Ich mußte ebenso lachen wie Madame.
Zuchra, die in der Stadt etwas erledigen mußte, ging an uns vorbei. Sie hatte
sich ein blaues Tuch über das Haar gebunden, das sie sich selbst gekauft hatte,
tänzelte in Madames grauer Jacke, war bezaubernd wie taufrisches Gras oder eine
Feldblume.
    Ich setzte das Gespräch fort: »Mansur
Bahi ist ein kluger Bursche. Was meinen Sie? Er mag keine hohlen Phrasen. Es
kommt mir so vor, als ob er zu denen gehöre, die in der Stille arbeiten. Und
außerdem gehört er wirklich zur Generation der Revolution.«
    »Was mag ihn wohl, ihn oder andere,
veranlaßt haben, sich der Revolution anzuschließen?«
    »Sie sprechen so, als gebe es im Land
keine Fellachen, keine Arbeiter und keine jungen Leute.«
    »Einige hat man ihres Vermögens
beraubt. Alle hat man ihrer Freiheit beraubt.«
    »Sie pflegen einen antiquierten
Freiheitsbegriff«, widersprach ich sarkastisch. »Und selbst den habt ihr
während der Zeit eurer Gewaltherrschaft nicht respektiert.«
    Als ich aus dem Bad kam,
bemerkte ich im Gang zwei Gestalten. Zuchra und Sarhan al-Buheri flüsterten
oder waren doch im vertrauten Gespräch miteinander. Vielleicht wollte er sich
tarnen, als er mich sah, denn er sprach plötzlich lauter und über Dinge, die in
Zuchras Verantwortungsbereich fielen. Ich ging in mein Zimmer und tat so, als
hätte ich nichts gesehen und nichts gehört, aber ein Gefühl der Unruhe hatte
mich befallen. Wie konnte Zuchra ihren Seelenfrieden wahren, wo das Haus von
jungen Männern wimmelte?
    Als sie mir den Nachmittagskaffee
brachte, fragte ich sie: »Was machst du

Weitere Kostenlose Bücher