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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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kenne ich kaum. Wir wechseln
höchstens ein paar flüchtige Worte am Frühstückstisch, die mir gar nicht erst
im Gedächtnis bleiben.
    Zweifellos empfinden wir eine
unausgesprochene Abneigung gegeneinander. Ich verachte seine Introvertiertheit,
seinen Stolz, sein feminines Gehabe, die billige Wohlerzogenheit, in der er
sich gefällt. Einmal habe ich ihn im Radio gehört, und seine Stimme — so
verlogen wie er selber -, zu der man sich einen Ritter mit Rednertalent
vorstellt, versetzte mich in Schrecken.
    Seltsam ist, daß nur der Methusalem der
Journalistik sich zu ihm hingezogen fühlt, was mich zu der Vermutung treibt,
der alte Junggeselle sei früher vielleicht mal Päderast gewesen.
    Es empfiehlt sich für
mich, das Zimmer nicht zu verlassen, aber da draußen spielt sich ein Glücksfall
ab, offenbar im Zimmer von al-Buheri? Ja! Ein Wortwechsel oder besser ein
Streit, vielleicht sogar ein Gezänk, eine Prügelei zwischen Romeo, dem Buheri,
und Julia, der Buheritin. Was hat das zu bedeuten? Verlangt sie von ihm, daß er
die Angelegenheit wieder in Ordnung bringt? Will er sich drücken und sie
sitzenlassen, wie er es mit Safejja getan hat? Das ist höchst amüsant, aber es
empfiehlt sich für mich, das Zimmer nicht zu verlassen. Wo hatten sich nur all
diese freudigen Überraschungen verborgen gehalten? Sunnyboy, paß gut auf, und
genieß diesen wundervollen Augenblick!
    Die Stimme dröhnt: »Ich bin ein freier
Mensch! Ich heirate, wen ich will!
    Ich werde Alejja heiraten!«
    Mein lieber heiliger Badawi! Alejja!
Das ist doch die Lehrerin! Also hat er ihre Einladung, sie zu Hause zu
besuchen, wahrgenommen und ist von der Schülerin zur Lehrerin umgestiegen?
Aufgepaßt, Sunnyboy! Wie schön ist dein Tag, Alexandria! Es lebe die Revolution!
Auch die Juli-Gesetze sollen leben! Ich höre die Stimme von Madame, die auf
arabisch kauderwelscht, und da ist auch die eifrige Stimme des
Rundfunksprechers leibhaftig. Zum Schluß geruht also auch er, sich um die
Probleme der Untertanen zu kümmern. Er wird sicher eine Lösung für diese
Provinz-Komplikationen finden!
    Seid mir herzlich willkommen, ihr
Prügeleien! Nichts wie los, Sunnyboy.
    Paß auf, daß dich die Ereignisse nicht
überrollen!
    Ich höre die Geschichte ein weiteres
Mal, in Flötentönen vorgetragen von Madame. Zum Schluß sagt sie mir: »Ich habe
ihn hinausgeworfen. Ich hätte ihn gar nicht erst als Gast aufnehmen dürfen!«
    Ich lobe Madames fürsorgliches
Verhalten und frage dann nach Zuchra.
    »Sie hat sich in ihr Zimmer
zurückgezogen. Sie fühlt sich gar nicht wohl.«
    Ja. Die alte Geschichte, die immer
wieder neu erwächst wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Al-Buheri kann man
eigentlich nur gratulieren, daß er hinausgeworfen wurde, denn er hat die
Beförderung in den fünften Stock erreicht. Niemand weiß, wohin ihn sein Weg
noch führen wird.
    »Der Besitzer des Cafés Miramar denkt
ernsthaft daran zu verkaufen!« verkündet Madame. Selbstbewußt entgegne ich:
»Ich bin gern bereit, mit ihm zu verhandeln.«
    Und wieder treibt mich das Verlangen,
Alexandria nach allen Richtungen zu durchstreifen, und ich verlasse die
Pension.
    Vergiß es, Sunnyboy, vergiß es!
    Zum ersten Mal erlebe ich
sie niedergeschlagen, bedrückt. Sie hat ihre frischen Farben verloren, ihre
braunen Augen sind ohne die gewohnte Schönheit, den Glanz, den sie sonst
ausstrahlen. Sie gießt mir meinen Tee ein und will gehen, aber ich bitte sie,
noch zu bleiben. Der Sturm heult in Böen, und die dicken Wolken draußen haben
das Zimmer in Dunkel getaucht.
    »Zuchra, die Welt ist voller
Gemeinheiten, aber sie ist auch nicht ganz frei von guten Taten.« Es scheint
nicht so, als wolle sie mir zuhören oder als interessiere sie sich überhaupt
für irgend etwas.
    »Sieh doch, was ich getan habe! Für
mich war das Leben bei meiner Familie in Tanta äußerst unerquicklich, und da bin
ich nach Alexandria ausgerissen.«
    Sie schweigt und zeigt keine Spur von
Interesse.
    »Ich sage dir, kein Schmerz dauert ewig
und auch keine Freude. Der Mensch muß seinen Weg selbst finden. Wenn ihn das
Schicksal auf einen Pfad führt, auf dem er nicht weiterkommt, dann muß er sich
einen anderen suchen.«
    »Es ist ja alles in Ordnung. Ich
bedaure nichts!«
    »Nein, Zuchra, du bist traurig, sehr
traurig. Und du darfst es auch sein.
    Aber du mußt das hinter dich bringen! Wenn
du dich zu dieser Entscheidung durchringst, ist das schon deine halbe Rettung,
wenn nicht die Rettung überhaupt!«
    Ich kämpfe

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