Miramar
Wetter
einem Ringkämpfer gleicht, dessen nächste Bewegung man nicht vorhersagen kann,
die Frauen in unzähligen Formen gefügig sind, passiert überhaupt nichts. In
Wirklichkeit ist die Welt schon tot, und dies sind nur noch ihre letzten
Zuckungen vor der Leichenstarre.
Das Genevoise kommt mir in den Sinn.
Es liegt an der Corniche, trotzt dem
Meer und dem Winter, aber der Eingang ist in einer schmalen Seitenstraße. Dort
gibt es eine Bühne für Gesangs-und Tanzvorführungen und in der Mitte eine
Tanzfläche für die Gäste. Die fahlrote Farbe der Decke, der Wände und der
Lampen erweckt den Eindruck, als sei es ein Gespensterschloß. Ein Blick auf die
Mädchen und die Kunden gibt einem das unbestimmte Gefühl, man befinde sich in
einem Bordell.
Ich sehe das Mädchen von al-Buheri
einen ziemlich obszönen volkstümlichen Tanz tanzen. Ich lade sie ein, an meinen
Tisch zu kommen, doch sie erkennt mich zunächst nicht. Dann entschuldigt sie
sich mit dem Zustand, in dem sie an dem Tag war, an dem wir uns kennengelernt
haben. Schnell sagt sie, daß sie schon seit langem auf mich warte, und ich gebe
vor, wenig Zeit und viel Arbeit gehabt zu haben. Ich erfahre nun, daß sie
Safejja Barakat heißt, doch wer weiß, welches ihr richtiger Name ist. Sie ist
hübscher als die Lehrerin, aber ein bißchen zu fett. Sie hat den
Gesichtsausdruck der Professionellen. Ich trinke bis zur Bewußtlosigkeit, dann
lade ich sie ein, in mein Auto zu kommen und fahre mit ihr zur Lidostraße in
Mazarita. Als ich mit ihr schlafen will, entzieht sie sich mir jedoch mit einer
zwingenden Begründung. So kehre ich ebenso betrunken wie frustriert in die
Pension zurück.
Auf dem Weg in mein Zimmer sehe ich
Zuchra im Nachthemd aus dem Bad kommen. Ich stelle mich mit offenen Armen vor
sie hin. Sie bleibt erschrocken stehen. Als ich auf sie zutrete, fordert sie
mich resolut auf: »Gehen Sie weg!«
Ich weise mit dem Finger auf mein
Zimmer, aber sie ruft mit drohender Stimme: »Machen Sie sofort Platz!«
Gepackt von Gier und Verlangen, stürze
ich mich auf sie, doch sie versetzt mir einen erstaunlich kräftigen Faustschlag
gegen die Brust, der mich unheimlich wütend macht. Halbirr vor Zorn, schlage
ich sie brutal. Dann will ich über sie herfallen, da legt sich mir eine Hand
auf die Schulter, und ich höre Sarhans Stimme keuchen: »Husni, sind Sie total
verrückt geworden!«
Ich stoße ihn heftig zurück, aber er
packt mich noch fester an der Schulter und befiehlt: »Gehen Sie sofort ins Bad,
und stecken Sie den Finger in den Mund!«
Ich drehe mich zu ihm um und versetze
ihm einen derben Schlag, der ihn völlig unerwartet trifft. Er tritt brüllend
einen Schritt zurück und drischt dann kräftig auf mich ein.
Da plötzlich kommt Madame, zieht ihren
Morgenrock um sich zusammen und fragt wütend: »Was ist denn hier los?« Sie
stellt sich zwischen mich und Sarhan und schimpft: »Das geht zu weit, das ist
der Ruin! Das kann ich nicht dulden!«
Die Engel schwimmen oder
tanzen an der Decke. Der Regen klopft im Takt gegen die Fenster, und das Tosen
der Wellen gellt in den Ohren wie die Detonationen einer brausenden Schlacht.
Unter den Schlägen meiner Kopfschmerzen schließe ich wieder die Augen. Ich
seufze und verfluche alles.
Dann entdecke ich, daß ich den Rest der
Nacht in Anzug, Mantel und Schuhen geschlafen habe. Die Erinnerungen an diese
letzte Nacht stürmen auf mich ein, und ich fluche allem und jedem.
Madame klopft an und tritt in mein
Zimmer. Sie bleibt an der Tür stehen und sieht zu, wie ich schwerfällig und
träge in meinem Bett höherrutsche, um mich ans Kopfende lehnen zu können.
»Nun, haben Sie Ihren Termin versäumt?«
fragt sie. Dann sinkt sie in den großen Sessel und wirft mir vor: »Das kommt
vom vielen Alkohol!« Unsere Blicke treffen sich, lächelnd sagt sie: »Ich mag
Sie sehr, aber trinken Sie nicht noch einmal so viel!«
»Es tut mir leid«, murmle ich und hebe
den Kopf zur Decke, die mit Engeln verziert ist. Dann, nach einer Weile: »Ich
muß mich bei Zuchra entschuldigen!«
»Gut, aber versprechen Sie mir, daß Sie
sich so benehmen, wie es sich für jemanden aus Ihrer Familie gehört!«
»Bitten Sie doch bei Zuchra für mich um
Verzeihung, bevor ich selbst dazu in der Lage bin!«
Das war das Ende meiner Beziehung zu
Sarhan. Mit Zuchra dagegen versöhnte ich mich nach einigem Widerstreben
ihrerseits wieder. Ich leugne nicht, daß der Streit mit Sarhan eine Leere in
mir hinterlassen hat. Den anderen, Mansur Bahi,
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