Miramar
nicht führe.
Mir fällt für den Rest des Tages nichts
anderes mehr ein, als zu der maltesischen Kupplerin im Cleopatra zu fahren und
sie aufzufordern, so viele wie möglich von ihren Mädchen herzuschaffen. Und
dann erlebe ich eine ganz tolle, wilde Nacht voll der ausgefallensten
Tobereien, wie sie die Geschichte seit der Zeit unseres Kalifen Harun
al-Raschid, Ehre seinem ewigen Andenken, nicht mehr gekannt hat.
»Er hat seine Mutter nie kennengelernt,
und sein Vater hat ihn allein gelassen, als er sechs Jahre alt war. Deswegen
kann ich einfach nicht streng zu ihm sein!«
Er sagte das ganz ruhig, aber mein
Bruder kochte vor Zorn.
Ringsum lauter Leichen.
Den Methusalem der Journalistik kann ich echt nicht ausstehen. Wenn ich schon
morgens sein Gesicht am Frühstückstisch sehe, weiß ich, daß mir das Pech
bringt. Tolba Marzuq will von mir wissen, wie ich mit meinem Projekt
vorangekommen bin. Ich schnuppere, rieche den Duft von Räucherwerk und frage,
was es damit auf sich hat.
Da lacht Tolba Bey und sagt: »Sie
sollten Madame sehen, wie sie mit dem Räuchergefäß in der Hand durch die Zimmer
wandelt!«
»So lieben Sie Umm Kulthum und glauben
auch daran, daß Räucherwerk gegen den bösen Blick hilft?« Ich schaue sie
fragend an, denn das ist wirklich seltsam bei einer Griechin. Sie lächelt
beiläufig, weil sie ganz gebannt einem griechischen Schlager zuhört.
Ich sage zu Tolba Bey: »Ich muß mir unbedingt
einen Khawaga suchen, der auswandern will, damit ich übernehmen kann, was er
hier abstößt.«
»Eine gute Idee! Was meinen Sie dazu,
Mariana?«
»Ja«, sagt sie schnell, denn sie will
sich nicht von dem griechischen Schlager ablenken lassen, »warten Sie, ich
glaube, der Besitzer des Cafes Miramar denkt daran.«
»Worum geht es eigentlich in dem
Schlager?«
»Er handelt von einem Mädchen im
heiratsfähigen Alter«, entgegnet sie gespreizt. »Ihre Mutter fragt sie, und sie
zählt auf, welche Vorzüge sie von ihrem späteren Bräutigam verlangt.«
Ich lasse den Blick zwischen dem Foto
des Kapitäns und ihrem Jugendbild hin und her gehen, und sie erklärt leise:
»Ich könnte heute noch eine große Dame sein.«
»Aber Sie sind doch eine Dame durch und
durch!«
»Ich meine, eine Dame im
Ibrahimijja-Palais«, wendet sie ein.
»Vergeuden Sie Ihre Zeit nicht
tatenlos«, fordert mich der Methusalem der Journalistik auf. Insgeheim
verfluche ich ihn.
Es ist beißend kalt und ganz still. Ich
habe mich mit dem italo-syrischen Mädchen in der Wohnung der Kupplerin in Sidi
Gaber verabredet.
Vergiß es, Sunnyboy, vergiß es!
Am Frühstückstisch erfahre ich, daß Zuchras
Schwester und ihr Mann dagewesen sind. »Sie hat endgültig beschlossen, bei uns
zu bleiben«, freut sich Madame.
»Wir wollen froh sein, daß die
Begegnung friedlich verlaufen ist«, werfe ich ein. »Ich meine, daß man nicht
versucht hat, sie umzubringen.«
»Al-Buhera scheint mir ganz schön
abgeschlafft!« spotte ich dann zu Sarhan al-Buheri.
»Abgeschlafft?«
»Man sagt, daß es so nahe bei
Alexandria liegt, daß die strengen ländlichen Sittenbegriffe abgeschliffen
sind.«
Er brüstet sich mit seiner dröhnenden
Stimme: »Das heißt doch nur, daß es heute zivilisierter ist als der übrige
Rif!«
Tolba Marzuq fährt mit
mir, denn ich soll ihn ins Windsor-Hotel bringen. Er ist der einzige, für den
ich so etwas wie Sympathie und Verehrung habe. Mir kommt er immer wie die
Statue eines alten Königs vor, dessen Reich vergangen und dessen Zeit längst vorüber
ist, der aber alle seine persönlichen Vorzüge bewahrt hat.
Voll boshafter Gedanken sage ich zu
ihm: »Wäre es nicht das Beste für das Fellachenmädchen gewesen, wenn es mit
ihren Leuten gegangen wäre?«
»Das Beste wäre zweifellos gewesen,
wenn sie gar nicht erst geflohen wäre!«
»Das heißt, es gibt ernsthafte Gründe,
die sie daran hindern zurückzukehren, selbst wenn sie das wollte?«
»Sie meinen den Burschen aus
al-Buhera?«
»Ich denke zwar nicht speziell an ihn,
aber es hängt jedenfalls mit ihm zusammen.«
»Sehr wahrscheinlich«, lacht der Mann.
»Wahrscheinlich ist er auch unschuldig an dem, was Sie argwöhnen. Und ein
anderer stand hinter ihrer Flucht aus dem Dorf.«
Mein Mißtrauen ihr gegenüber wächst,
als ich — ein paar Tage später — erfahre, daß sie den Heiratsantrag von Machmud
Abul-Abbas, dem Zeitungsverkäufer, ausgeschlagen hat. Machmud hat mich nämlich
in der Angelegenheit um Rat gefragt, da ich ein alter Kunde von ihm bin,
Weitere Kostenlose Bücher