Miramar
lassen!«
Das sagte ich meinem Bruder zum
Abschied. Dann begab ich mich geradewegs zur Pension Miramar. Durch das
Guckloch in der Tür schaute mich das Gesicht einer alten Frau an, das trotz des
Alters und des Berufs der Dame ausgesprochen hübsch wirkte.
»Madame Mariana?« fragte ich. Als sie
bejahte, stellte ich mich vor: »Mansur Bahi.«
Bereitwillig öffnete sie mir die Tür
und begrüßte mich: »Herzlich willkommen! Ihr Bruder hat mir schon am Telefon
von Ihnen erzählt. Fühlen Sie sich hier wie zu Hause!«
Ich wartete an der Tür, bis der Träger
meine beiden Koffer brachte. Dann forderte sie mich auf, Platz zu nehmen, und
setzte sich selbst auf das Kanapee unter ein Jungfrauenbild.
»Ihr Bruder ist hoher Polizeioffizier.
Er hat bei mir gewohnt, bevor er heiratete, hat sein ganzes Leben in Alexandria
verbracht, und nun geht er urplötzlich nach Kairo!«
Wir schauten uns gegenseitig mit viel
Sympathie an. Sie prüfte mich eingehend, dann fragte sie mich: »Sie haben mit
ihm zusammengelebt?«
»Ja!«
»Was sind Sie? Student? Beamter?«
»Ich bin Rundfunksprecher bei Radio
Alexandria.«
»Aber Sie stammen eigentlich aus
Kairo?«
»Ja!«
»Fühlen Sie sich hier wie zu Hause, und
reden Sie mir bloß nicht von Miete!«
Ich lachte abwehrend, hatte aber doch
das Gefühl, daß sie tatsächlich bereit war, mich kostenlos bei sich
aufzunehmen, wenn ich das gewollt hätte.
Na schön! Jeder hängt in
diesem völlig korrumpierten Land sein Mäntelchen nach dem Wind! Aber
wahrscheinlich tue ich ja selbst auch nichts anderes!
»Und wie lange werden Sie bei uns
wohnen?«
»Das ist unbestimmt.«
»Wir werden uns auf eine angemessene
Miete einigen, und ich verspreche Ihnen, sie im Sommer nicht heraufzusetzen. «
»Danke schön, aber mein Bruder hat m
ich instruiert, was ich zu tun habe.
So will ich im Sommer durchaus soviel
zahlen wie die Sommergäste.«
»Sind Sie Junggeselle?« lenkte sie
geschickt zu einem anderen Thema über.
»Ja!«
»Und wann gedenken Sie zu heiraten?«
»Jedenfalls nicht jetzt!«
Sie lachte laut und setzte dann die
Befragung fort: »Und was gedenken Sie dann zu tun?«
Innerlich unbeteiligt, stimmte ich in
ihr Lachen ein. Es läutete. Sie stand auf, öffnete die Tür und ließ ein junges
Mädchen herein, das einen großen Beutel mit Gemüse und anderen Lebensmitteln
trug. Das Mädchen verschwand im Inneren der Wohnung, und ich sah auf einen
Blick, daß sie das Hausmädchen sein mußte und außerdem sehr hübsch war. Als
Madame sie anredete, hörte ich zudem, daß sie Zuchra hieß. Vom Alter und ihrer
Erscheinung her hätte sie durchaus eine Studentin sein können.
Madame führte mich zu einem der beiden
Zimmer, die auf das Meer hinaussehen, und erklärte: »Diese Seite vermiete ich
normalerweise im Winter eigentlich nicht, aber das ist jetzt das einzige
Zimmer, das noch frei ist.«
»Ich mag den Winter durchaus«, meinte
ich unbekümmert.
Ich stand allein auf dem
Balkon. Das Meer erstreckte sich unter mir bis ins Endlose. Es dehnte sich
blau, rein, wunderbar. Ruhige Wellen trieben ihr Spiel mit den glitzernden
Sonnenperlen. Ein leichter Wind umhauchte mich mit belebender Zärtlichkeit. Vereinzelte
Wölkchen trieben über den Himmel.
Ich spürte Traurigkeit in mir
aufkommen, aber dann vernahm ich eine leise Bewegung im Zimmer, drehte mich
neugierig um und sah Zuchra, die das Bett mit Laken und Kissen zurechtmachte.
Sie arbeitete sorgfältig und ohne zu mir hinzuschauen. So hatte ich Muße, sie
zu betrachten, und ihre bezaubernde ländliche Schönheit sprang mir noch
deutlicher in die Augen.
»Ich danke dir, Zuchra«, sagte ich aus
dem Wunsch heraus, mich auf guten Fuß mit ihr zu stellen.
Sie lächelte mich so an, daß es mich
freute. Ich bat sie um eine Tasse Kaffee, und sie brachte sie mir wenige
Minuten später.
»Warte bitte, bis ich fertig bin!« bat
ich sie. Ich stellte die Untertasse auf die Balkonbrüstung und schlürfte
langsam meinen Kaffee aus. Sie kam näher, stand schließlich auf der Schwelle
und schaute auf das Meer.
»Magst du die Natur?« fragte ich sie.
Sie gab keine Antwort, doch sie hatte
meine Frage offensichtlich auch gar nicht verstanden. Was ihr wohl durch den
Kopf ging? Aber zweifellos würde sie in ihrer Erdverbundenheit auf die ersten
Regungen der verführerischen Natur im Frühling warten.
»In meinem großen Koffer sind Bücher«,
sagte ich, »und für sie steht kein Schrank im Zimmer.«
Sie musterte die Möbelstücke und empfahl
dann
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