Miramar
einig, die
Vergangenheit ruhen zu lassen!«
»Für mich ist sie immer noch
gegenwärtig. Du wirst jetzt mit mir nach Alexandria kommen, und wenn ich dich
mit Gewalt hinschleppen muß!«
»Behandle mich doch endlich wie einen
Mann!«
»Du bist wirklich naiv. Ja, denkst du
denn, wir merken nichts? Wir wissen alles, was hier im Land geschieht!« Er
schaute mich streng und prüfend an und sagte dann: »Du bist ein dummer grüner
Junge! Wofür hältst du sie denn eigentlich? Für Helden vielleicht? Ich kenne
sie besser als du. Du wirst jetzt mit mir kommen, ob du willst oder nicht!«
Mir wurde die Tür
geöffnet. Ich hatte Herzklopfen, eine trockene Kehle und war ziemlich
durcheinander. Ihr Gesicht erschien mir im stockdunklen Korridor bleich und
kränklich. Sie musterte mich mit starrem Blick. Zuerst erkannte sie mich nicht.
Dann öffneten sich ihre Augen vor Überraschung und Erstaunen weit, und sie
flüsterte: »Ustas Mansur!«
Sie machte mir Platz, ich trat ein und
fragte sie: »Wie geht es dir, Durrejja?«
Sie führte mich in den Salon, dessen
Düsterkeit und Schwermut durch ihr eigenes trauriges Aussehen noch verstärkt
wurden. Wir setzten uns auf zwei Sessel nebeneinander. Von der
gegenüberliegenden Wand schaute uns sein Foto aus einem schwarzen Rahmen an. Er
richtete die Kamera auf uns, als ob er ein Foto von uns schießen wolle. Wir
blickten uns schweigend und traurig an.
»Wann bist du in Kairo angekommen?«
fragte sie dann.
»Ich bin vom Bahnhof aus geradewegs zu
dir gegangen. «
»Dann hast du erfahren ... «
»Ja, in meinem Büro, und dann habe ich
sofort den Vierzehn-Uhr-Zug genommen.«
Ich schaute auf sein Foto und spürte
den Duft des Tabaks, den er gewöhnlich rauchte, immer noch in der Luft hängen.
»Hat man sie alle festgenommen?« fragte ich.
»Ich glaube, ja.«
»Und wohin hat man sie gebracht?«
»Das weiß ich nicht.«
Ihr Haar war unordentlich und zerzaust.
Ihr bleicher Teint wirkte kränklich. Ihr Blick war matt und übernächtigt.
»Und du?«
»Du siehst ja ...«
Sie stand jetzt allein da, ohne jedes
Einkommen. Er war Assistenzprofessor an der wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät gewesen, hatte aber keinerlei Ersparnisse. Es lag alles deutlich
zutage, die Düsterkeit drohte die Atmosphäre zu ersticken.
»Durrejja, du bist eine alte
Kommilitonin, und er ist mein Freund, mein bester Freund, trotz allem, was
gewesen ist.«Ich nahm all meinen Mut zusammen und fuhr fort: »Ich bin Beamter
und verdiene nicht schlecht, außerdem muß ich, wie du ja weißt, für niemanden
sorgen.«
Sie schüttelte bedrückt den Kopf und
murmelte: »Aber du weißt doch, daß ich nicht ...«
»Ich denke schon, daß du die
bescheidene Hilfe eines alten Freundes nicht zurückweisen wirst!« unterbrach ich
sie heftig.
»Ich muß mir nur eine geeignete Stelle
suchen.«
»Wenn das so leicht wäre. Es wird
sicher eine ganze Weile dauern!«
Das Zimmer war noch immer von ihm
geprägt, so, wie ich es früher kennengelernt hatte. Die Couch, die vollen Bücherregale,
der Recorder, der Plattenspieler, TV-Gerät und Radio, Fotografien, Filme,
Fotoalben, aber wo war das Foto, das uns gemeinsam in der Auberge de Fayyoum
zeigte? Sicher hatte er es in einem Wutanfall weggeworfen. Unsere Blicke trafen
sich und lösten sich vorsichtig wieder voneinander. Wir waren wohl von
ähnlichen Gefühlen beherrscht und in gemeinsamen Erinnerungen befangen.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmolzen zu einem Weg, dessen Richtung
wir noch nicht kannten.
»Hast du bestimmte Pläne?« fragte ich
sie.
»Bis jetzt konnte ich keinen klaren
Gedanken fassen.«
»Hast du denn nicht daran gedacht, mir
zu schreiben?« wollte ich nach kurzem Zögern wissen.
Sie verneinte nach einer kleinen Pause.
»Aber dir muß doch bewußt gewesen sein,
daß ich noch da bin!«
Sie antwortete nicht, stand auf,
verschwand für ein paar Minuten und brachte dann Tee. Wir zündeten uns eine
Zigarette an. Da war er wieder, ein verlorener Duft aus früheren Zeiten. Aber
was sein mußte, mußte sein. Ich sagte und spürte dabei plötzlich meine Qualen
wiederkehren: »Ich glaube, du weißt von meinen vergeblichen Versuchen
zurückzukehren?«
Da sie schwieg, fuhr ich fort: »Aber
niemand ermutigte mich, um es so vorsichtig wie möglich zu sagen.« Sie bat:
»Laß uns doch die Vergangenheit vergessen!«
»Nicht einmal Fauzi wollte noch etwas
von mir wissen!«
»Bitte, laß die Vergangenheit endgültig
vorbei sein!«
»Nein, Durrejja!«
»Ich
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