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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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nicht,
solange Sie nichts Genaues wissen!«
    »Ob er wirklich zur Polizei gegangen
ist?« fragt Mariana.
    Wir reden erhitzt weiter, bis zur
Erschöpfung.
    Schließlich gebiete ich Einhalt: »Wir
wollen aufhören! Es reicht jetzt! Warten wir darauf, was uns das Schicksal
beschert!«
     
    Und die Taten der Ungläubigen sind
    Wie Finsternisse in tiefstem
Meeresgrund,
    Bedeckt von einer Woge,
    Über der eine Woge,
    Über der Wolken von Dunkelheiten,
    Eine über der anderen.
    Wenn er seine Hand hervorholt aus
ihnen,
    Sieht er sie kaum vor Finsternis.
    Wem Gott kein Licht gesetzt,
    Der besitzt kein Licht.
    Sahst du nicht, daß Gott alles preist,
    Was im Himmel und auf Erden?
    Auch die Vögel, dort im Fluge oben,
    Jeder kennt sein Gebet und weiß ihn zu
loben.
    Und Gott weiß sehr wohl, was sie tun!
    Gott ist der König des Himmels und der
Erden
    Und zu Gott ist unser Werden!
    Meine Augen ermüden
schnell beim Lesen. Ich verlasse das Zimmer und gehe in die Diele, als die Uhr
gerade vier schlägt. Mariana finde ich in eine Lektüre vertieft. Sie ruft mir
zu: »Das ist meine erste Silvesternacht, die verläuft wie ein
Leichenbegängnis!«
    »Redet doch um Gottes willen nicht
schon wieder von Kummer und Sorgen!« fordert Tolba Marzuq energisch.
    Ärgerlich gibt Madame zurück: »Die
Pension ist von einem Fluch betroffen, darüber bin ich mir nun im klaren. Und
Zuchra muß gehen! Soll sie sich irgendwo anders eine Stelle suchen!«
    Ihr Zorn schneidet mir ins Herz, und
ich versuche zu begütigen: »Mariana, sie ist unschuldig an all dem. Sie ist vom
Pech verfolgt und hat bei Ihnen Zuflucht gesucht.«
    »Allmählich betrachte ich sie als ein
unglückliches Omen!«
    Tolba Marzuq schnipst mit den Fingern,
als sei ihm ein neuer Gedanke gekommen: »Was hindert uns denn eigentlich daran,
die Silvesternacht richtig zu feiern?«
    »Was hindert uns denn eigentlich ...!«
wiederhole ich bestürzt. »Das ist doch wirklich der Gipfel!«
    Er ignoriert meinen Einwurf und sagt zu
Mariana: »Machen Sie sich fertig, meine Liebe! Wir werden den Abend gemeinsam
verbringen, wie wir es beschlossen hatten!«
    »Ach, meine Nerven, meine Nerven,
Monsieur Tolba!« klagt sie.
    »Eben deswegen lade ich Sie ja ein,
diese Nacht zu feiern!«
    Die Atmosphäre ist plötzlich verändert.
Jedenfalls für die beiden. Ganz ernsthaft besprechen sie Tolbas Vorschlag. Da
kommt Husni Allam von draußen und verkündet seinen Entschluß, er wolle aus der
Pension ausziehen. Madame erzählt ihm die seltsame Geschichte von Mansur Bahi. Er
hört sie mit großer Bestürzung und redet eine Weile darüber. Schließlich zuckt
er die breiten Schultern, als wolle er die Geschichte von sich abschütteln. Er
packt seine Sachen zusammen, verabschiedet sich von uns und geht.
    Nachdem er uns verlassen hat, stellt
Madame traurig fest: »Nun sind wir wieder allein wie zuvor!«
    »Danken wir Gott dafür!« äußert Tolba
seine Freude.
    Beide sind plötzlich von einer emsigen
Geschäftigkeit, die ihre Unruhe und ihren Kummer vertrieben hat.
    Madame hat sich zurechtgemacht wie in
vergangenen Zeiten. Sie trägt ein braunes Abendkleid, das ihre zarte weiße Haut
zur Geltung bringt, und darüber einen schwarzen Mantel mit Naturpelzkragen,
goldfarbene Schuhe an den Füßen, hat Brillantohrringe und ein Perlenkollier
angelegt. Sie ist wieder eine attraktive Schönheit aus der Oberschicht und hat
die Spuren des Alterns unter einer Maske aus Schminke verborgen. Wir mustern
uns eine Weile, während sie, sichtlich, um sich zur Schau zu stellen, an der
Wohnungstür stehengeblieben ist.
    Sie lacht fröhlich wie ein Backfisch
und sagt im Hinausgehen zu Tolba:
    »Ich erwarte Sie dann beim Friseur!«
    Ich bin allein, habe keinen anderen
Gefährten als den wild heulenden Sturm. Ich rufe nach Zuchra und muß dreimal
rufen, bis sie hinter dem Wandschirm erscheint. Sie steht da, traurig,
niedergeschlagen, gebrochen, wirkt, als sei sie kleiner geworden und als habe
ihr Rücken sich gekrümmt.
    Ich weise auf das Kanapee, sie geht
schweigend hinüber und setzt sich unter das Bild der Jungfrau. Mit über der
Brust verschränkten Armen blickt sie zu Boden. Mir schnürt sich vor Mitleid und
Zärtlichkeit das Herz zusammen, und ich spüre, wie mir Tränen in die Augen
treten, die heute nicht mehr zu einem erlösenden Weinen werden können.
    »Warum ziehst du dich auf dich selbst
zurück, als hättest du keinen Freund?« schelte ich sie sanft. »Hör mir zu! Ich
bin, wie du siehst, ein sehr alter Mann oder

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