Miramar
bis Ihr Freund kommt!«
Wir setzen uns in den Wintergarten, und
er fragt mich mit seiner hohlen Stimme: »Cognac?« Ich bin zwar schon betrunken,
habe aber Lust auf noch mehr Alkohol. Wir trinken, reden und lachen
miteinander.
Dann fragt er mich: »Glauben Sie, daß
man mich nach Kuwait zu meiner Tochter fahren läßt?«
»Ich glaube schon. Wollen Sie von vorn
beginnen?«
»Nein, aber mein Schwiegersohn — er ist
auch mein Neffe — hat dort große Reichtümer gemacht.«
»Wollen Sie vielleicht auswandern?«
In seine Augen tritt ein vorsichtiger
Blick, als er entgegnet: »Aber nein, ich will nur meine Tochter besuchen!«
Ich neige mich zu ihm hinüber und
frage: »Wollen Sie einen echten Trost?«
»Und der wäre?«
»Es gibt Leute, die die Revolution satt
haben. Aber welches System könnte denn an ihre Stelle treten? So intensiv Sie
auch darüber nachdenken: Es gibt als Alternative nur die Kommunisten oder die
Muslimbrüder. Wen von beiden hätten sie lieber anstelle der Revolution?«
»Weder die einen noch die anderen«,
beeilt er sich zu sagen.
Ich lächle voller Vertrauen und
Siegesbewußtsein: »Sehen Sie, das war mir von vornherein klar! Lassen Sie sich
das zum Trost gereichen!«
Es wird acht Uhr, aber Ali Bakir kommt
nicht. Ich warte eine weitere qualvolle halbe Stunde. Dann gehe ich zum
Telefon, wähle seine Privatnummer, jedoch niemand meldet sich. Vielleicht ist
er auf dem Weg hierher, aber was hat ihn davon abgehalten, früher zu kommen?
Kann er sich denn nicht vorstellen, wie sehr mich diese Verspätung auf die
Folter spannt? Tolba Marzuq blickt auf die Uhr und sagt dann: »Ich muß mich
verabschieden!« Dann schüttelt er mir die Hand und geht. Ich trinke weiter.
Endlich kommt der Kellner, um mir zu sagen, daß mich jemand am Telefon
verlangt. Ich springe auf, laufe zum Apparat, nehme den Hörer und merke, daß
mein Herz wie rasend schlägt.
»Hallo! Ali? Warum bist du nicht
gekommen?«
»Sarhan, hör zu! Die Sache ist
aufgeflogen!«
Seine Worte dringen in mein vom Alkohol
umnebeltes Hirn, und mir ist, als ob sich Himmel und Erde um mich drehen. »Was
sagst du da?«
»Es ist aus mit uns!«
»Aber wieso? Sag schnell, was ist
passiert?!«
»Was hat denn das jetzt noch für einen
Sinn?! Der Fahrer wollte allein absahnen, und das ging schief! Er wird uns ans
Messer liefern, wenn er es nicht bereits getan hat.«
Mir wird vor Angst der Mund trocken:
»Was machen wir jetzt? Was tust du gerade?«
»Es ist aus mit uns! Ich tue, was mir
der Teufel diktiert.« Er hängt auf.
Ich zittere. Meine Füße tragen mich
kaum noch. Einen Augenblick lang denke ich daran wegzulaufen, aber ich kehre,
beobachtet vom Kellner, an den Tisch zurück. Ich trinke mein Glas aus, bezahle
die Rechnung. Verzweiflung kriecht mit bestürzender Schnelligkeit in mir hoch.
Und eine höllische Angst. Ich gehe schnurstracks zur Bar, verlange vom
Barkeeper eine Flasche Cognac und fange an, gedankenlos zu trinken, während er
mir besorgt zuschaut. Ich gieße mir ein, trinke aus, gieße mir wieder ein, ohne
ein Wort, ohne einen Seitenblick, ohne Unterbrechung.
Dann schaue ich zu ihm auf und sage:
»Ein Rasiermesser bitte!«
Er lächelt, ohne sich zu bewegen. Ich
wiederhole: »Ein Rasiermesser bitte!«
Er zaudert kurz. Als er die Entschlossenheit
in meinem Gesicht sieht, ruft er den Kellner und fragt ihn nach dem Messer. Der
bringt ein gebrauchtes Rasiermesser ohne Hülle. Ich nehme es ihm dankend ab und
deponiere es in meiner Tasche. Mit einiger Mühe erhebe ich m ich von der Bar
und gehe zur Außentür, schwankend, verzweifelt, eilig. Ich überquere die Straße
und wäre am liebsten gerannt, ganz schnell gerannt.
Ich bin verzweifelt, völlig
verzweifelt.
V. Amir Wagdi
All das, was sich in der
Pension in der letzten Zeit ereignet hat, vergällt mir das Leben. Ich habe hier
Zuflucht gesucht, um die Ruhe zu genießen, die ich in meinen alten Tagen
brauche, auch um mich mit angenehmen Erinnerungen über die bittere Enttäuschung
hinwegzutrösten, die ich am Ende meines Arbeitslebens erfahren mußte. Es wäre
mir nie in den Sinn gekommen, daß sich die Pension Miramar in eine Bühne für
brutale Schlägereien verwandeln könnte, die schließlich mit einem Mord enden.
Aber heute spüre ich wieder etwas
Unternehmungslust, verlasse das Zimmer und setze mich zu Mariana und Tolba
Marzuq zu unserem gewohnten Beisammensein im Entrée. Ich würde Zuchra gern bei
uns sehen, aber Mariana ist dermaßen erregt und Tolba schaut so
Weitere Kostenlose Bücher