Miramar
Bahi allerdings
sickert Licht. Es ist die anregende Wirkung des Weins, die mich bei ihm
anklopfen und eintreten läßt ohne wirklichen Anlaß. Er sitzt in einem großen
Sessel und sieht mich leicht erstaunt an. Seine kleinen, aber schönen Augen
blicken nachdenklich und kummervoll.
Ich setze mich auf einen Stuhl in
seiner Nähe und erkläre: »Entschuldigen Sie! Ich bin betrunken!«
»Das sieht man!« entgegnet er obenhin.
Ich lache und fahre dann mit leichtem
Vorwurf fort: »Tatsache ist, daß ich vergeblich versucht habe, Ihre Sympathie
zu gewinnen. Sie scheinen sehr introvertiert zu sein!«
»Es hat eben jeder seine Eigenheiten!«
entgegnet er höflich, aber nicht sehr ermutigend.
»Augenscheinlich macht Ihnen Ihr Kopf
zu schaffen!«
»Der Kopf ist die Ursache allen Übels!«
Er hüllt sich in Rätselhaftigkeit.
»Wie selig sind da doch wir Hohlköpfe!«
lache ich.
»Machen Sie sich nicht so schlecht! Sie
sind doch der Mittelpunkt unermüdlicher Aktivitäten!«
»Ach, wirklich?«
»Ich meine Ihre politischen Aktivitäten,
Ihre revolutionären Gedanken ...
Ihre Liebesabenteuer!«
Das letzte empfinde ich als Schlag vor
den Kopf, der aber durch meine Betrunkenheit gemildert wird. Mir wird jedoch
klar, daß er mich nicht gerade willkommen heißt, daß er niemanden willkommen
heißen würde. So schüttle ich ihm die Hand und gehe.
Als Zuchra in mein Zimmer
tritt, um mir den Tee zu bringen, löse ich mich aus meinen Gedanken und Plänen,
und mein Herz öffnet sich für die wirkliche Liebe, nur für sie. Aber ihr
Gesicht ist hart, wie versteinert, und bleich vor Zorn. Ihr Blick, unbeweglich,
finster, feindselig, schrecklich, erfüllt mich mit Unruhe und
Hoffnungslosigkeit.
Mitfühlend stelle ich fest: »Zuchra, du
bist anders als sonst!«
Sie entgegnet zornig und aggressiv: »Wenn
Gottes Weisheit nicht unbegreiflich wäre für unseren Verstand, so würde ich
nicht mehr an ihn glauben!«
Unruhe befällt mich. »Gibt es neuen
Kummer, zusätzlich zu unseren Sorgen, mit denen wir nicht fertig werden?« frage
ich sie.
»Ich selbst habe euch zusammen
gesehen«, erwidert sie kurz und verächtlich.
Ich weiß, wen sie meint, und mir
krampft sich das Herz zusammen. Verzweifelt frage ich: »Von wem sprichst du?«
»Von der Lehrerin!« Dann voller Haß:
»Diese mannstolle Hure!«
Ich lache. Ich kann nicht anders, ich
muß lachen, lachen mit der Geringschätzung, mit der wir gewöhnlich einem
ungerechtfertigten Wutanfall begegnen. Ich lache und tadle sie: »Was bist du
nur für eine ... Zufällig habe ich deine Lehrerin getroffen und ihr ...«
»Du Lügner!« unterbricht sie mich
schroff. »Das war kein Zufall! Ich habe es von ihr selbst gehört!«
»Nein!« rufe ich beklommen.
»Die alte Ziege hat zugegeben, daß sie
sich mit dir getroffen hat. Weder ihr Vater noch ihre Mutter waren darüber
erstaunt. Wohl aber staunten sie beide über meine Neugier in dieser Hinsicht.«
Ich schweige betroffen, bin stumm.
»Warum nur hat Gott solche Feiglinge
wie dich erschaffen!« stößt sie voller Zorn und Ekel hervor.
Ich muß mich geschlagen geben. Das
Kartenhaus meiner Lügen ist zusammengefallen. Zutiefst unglücklich beschwöre
ich sie: »Zuchra, das ist doch alles ganz grundlos! Das ist doch nur ein
verzweifeltes Herumtappen!
Überleg es dir noch einmal, Zuchra! Laß
uns zusammen weggehen! «
Sie hört mir überhaupt nicht zu,
sondern fährt fort: »Was kann ich tun? Ich habe keinerlei Recht auf dich! Du
elender Mistkerl! Scher dich doch zum Teufel!« Sie spuckt mir ins Gesicht.
Ich werde wütend. Obwohl ich auf
verlorenem Posten stehe, werde ich wütend. Ich schreie sie an: »Zuchra!«
Wieder spuckt sie mir ins Gesicht.
Blind vor Zorn brülle ich: »Geh, oder
ich bringe dich um!«
Sie stürzt sich auf mich und schlägt
mir mit erstaunlicher Kraft ins Gesicht.
Rasend vor Zorn springe ich auf und
packe sie fest an der Hand, aber sie entzieht sie mir mit Gewalt und schlägt
mich ein zweites Mal. Ich bin um meinen Verstand gebracht und falle prügelnd
über sie her. Sie schlägt mit einer Kraft zurück, die mein Fassungsvermögen
übersteigt. Da eilt plötzlich Madame zu uns, in tausend Sprachen zugleich
radebrechend. Sie reißt sie von mir weg, und ich schreie sie in wahnsinnigem
Zorn an: »Ich bin frei! Ich heirate, wen ich will! Alejja werde ich heiraten!«
Mansur Bahi kommt und bringt mich in
sein Zimmer. Ich weiß nicht mehr, worüber wir gesprochen haben, aber ich
erinnere mich, daß er mich mit einer
Weitere Kostenlose Bücher