Miranda - so stolz und so süß (German Edition)
belästigen Sie jemand anderen.”
Leo schien über diese Aufforderung nachzudenken. “Ich soll ein Rohling sein, Mr Harmon? Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht bin ich im Grunde meines Herzens wirklich verroht. Ich finde es jedoch eigenartig befreiend, grob zu Ihnen zu sein, Mr Harmon. Hüten Sie sich davor, mir noch einmal zu begegnen, denn dann könnte es sein, dass ich nicht nur meiner Zunge freien Lauf lasse, sondern auch meinen Fäusten.”
So würdevoll wie möglich wandte Frederick Harmon sich ab und wollte die knarrende Stiege hinaufgehen.
“Ach, und noch etwas, Mr Harmon.” Grimmig lächelte Leo ihn an. “Sollten Sie nicht binnen einer halben Stunde verschwunden sein, komme ich zu Ihnen hinauf und helfe Ihnen beim Packen.”
Das Lächeln kam von Herzen, als Leo Mr Harmons Schritte sich hastig entfernen und dann eine Tür zuknallen hörte. Er war sehr mit sich zufrieden. Er hatte den Drachen verscheucht und seine Prinzessin gerettet. Nun musste er sie nur noch auf die Arme heben, küssen und bis in alle Ewigkeit mit ihr glücklich sein.
Sein Lächeln wurde kläglich.
Leider war das Leben kein Märchen. Ein glückliches Ende war nicht immer zu erwarten, selbst nicht für einen Herzog.
Die Nachricht von Clementina war bei Anbruch der Dämmerung eingetroffen. Ein Vogel sang im dunklen Wäldchen beim Hügel, und sein Lied klang so traurig, wie Miranda war.
Seit Mr Harmon gegangen war, hatte sie versucht, die frühere Unternehmungslust wiederzufinden, um aus “The Grange” ein richtiges Heim zu machen. Doch der Enthusiasmus schien sich nicht wieder einstellen zu wollen.
Esme hatte ihr, als sei ihr Mirandas Elend aufgefallen, eine Vase mit einem Blumenstrauß in den Salon gestellt.
“So”, hatte sie vergnügt geäußert. “Das wird Sie etwas aufmuntern.”
“Ja, das wird es wirklich. Vielen Dank, Esme.” Miranda hatte innegehalten und zur Tür geblickt. “Ist Mr Pendle noch hier?”
“Ja, Madam.”
“Er hat noch nicht gepackt und das Haus verlassen?”
Esme hatte den Kopf geschüttelt.
Mr Pendle war starrsinnig geblieben. Er war auf Leos Anweisung hier und konnte das Haus nur verlassen, wenn der Duke of Belford ihm das gebot. “Und da Sie mir verboten haben, Madam, Seine Gnaden in Ihr Haus zu lassen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er mir diesen Befehl geben wird, selbst wenn er das wollte”, hatte er gesagt.
“Also gut, Pendle”, hatte sie ziemlich enerviert erwidert.
“Ich tue nur das, was man mir aufgetragen hat, Madam.”
“Wirklich, Pendle? Manchmal zweifele ich daran.”
Lächelnd hatte Esme geknickst und war gegangen. Das Pendle-Problem war noch immer ungeklärt. Der schwere süße Duft der Blumen erfüllte den Raum, der sehr gemütlich geworden war, ein richtiger Zufluchtsort vor den Sorgen. Miranda zog sich gern hierher zurück, wenn sie allein sein und nachdenken wollte.
Daher war sie, als sie Clementinas Nachricht erhalten hatte, in den Salon gegangen. Der Anblick des Briefes hatte kurz ihre Stimmung gehoben. Nachdem sie das freundliche Entschuldigungsschreiben jedoch gelesen hatte, stellte sie fest, dass es nicht die inspirierende Nachricht war, die sie sich erhofft hatte.
Clementina hatte geschrieben: “Meine liebe Miranda, inzwischen wirst du wissen, dass ich Leo die Wahrheit über dich erzählt habe. Ich hätte mich persönlich bei dir entschuldigt, glaube jedoch nicht, dass du mich im Moment sehen möchtest. Der Grund, warum ich dein Vertrauen missbraucht habe, war, dass mein Bruder so verwirrt und unglücklich war. Ich hoffte, das Zerwürfnis zwischen euch beiden würde behoben, sobald er wüsste, dass du nicht Adela bist. Ich habe mich geirrt, und dafür entschuldige ich mich. Bitte, verzeih mir und ihm. Ihm ist diese Sache ebenso unangenehm wie mir. Ich weiß, er wird keine Ruhe geben, bis wir alle uns wieder gut verstehen. Deine Freundin Tina.”
Miranda seufzte und legte den Brief beiseite. Leo war ein Gentleman, der sich seiner Stellung als der fünfte Duke of Belford sehr bewusst war. Natürlich würde er sich nicht wohlfühlen, bis er die Differenzen ausgeräumt hatte. Dann, und erst dann, konnte er Miranda und die letzten Wochen als Vergangenheit betrachten, als unerfreuliche Episode, die man am besten vergaß.
Wahrscheinlich würde er ihr, wenn er ihr begegnete, kühl und höflich zunicken, oder, falls es sich nicht vermeiden ließ, einige Worte mit ihr wechseln. Aber mehr würde er nicht tun. Mehr konnte sie nicht von ihm erwarten.
Gott
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