Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
aufstehen, nur zur Toilette wenn nötig, aber sonst strikt im Bett bleiben und flach liegen! Darum habe ich auch eine kleine Kanne als Spuckgefäß auf das Tablett gestellt, für den Salbeitee. Den anderen Tee, den trinken Sie jetzt bitte gleich.“
„Das ist wirklich lieb von Ihnen, Frau Mertens, ich mache Ihnen ja solche Umstände, das ist mir sehr peinlich.“
„Ach papperlapapp. Ich nutze Sie schamlos aus, junge Frau. Jetzt habe ich endlich mal wieder jemanden zum Aufpäppeln und Bevormunden, und ich habe wirklich gern Gesellschaft, auch wenn diese im Bett liegt.“
Ich setzte mich ein wenig auf und nahm einen Schluck vom heißen Tee. „Was ist denn da drin?“
„Königskerze, Lindenblüte, Malve und etwas Honig.“
„Ah ja. Der hilft gegen was? Gegen den Husten oder die Kopfschmerzen?“
„Das ist Hustentee. Ich habe übrigens vorhin, als sie noch schliefen, Ihre Tasche mit dem Notebook und das Diktafon hergebracht. Ich glaube, das läuft immer noch?“
„Oh ja, schnell mal ausmachen. Danke! Auch für die Tasche. Ich muss unbedingt eine E-Mail an die Redaktion schreiben, mein Handy liegt zuhause.“
Dass dieses eine ungesunde grüne „Farbe“ angenommen hatte, erwähnte ich lieber nicht. Ich kam ins Grübeln – ich musste mir ja ein neues Handy besorgen! Und in drei Tagen war Abgabetermin für die Reportage! Und ich musste mir eine neue Wohnung suchen! Und sogar Möbel kaufen. Mir wurde jetzt bewusst, dass das auch noch auf mich zukam, denn Hardy und ich wohnten ja „möbliert“. Hardy! Ich fühlte, wie es mir die Kehle zuschnürte und meine Augen feucht wurden. Hardy, wie konntest du nur! Mir fiel schlagartig alles wieder ein und dann fing ich an zu schluchzen. Warum passierte mir das alles? Ich weinte immer heftiger und konnte gar nichts dagegen tun.
„Aber liebes Kind! Was haben Sie denn? Tut der Kopf so weh oder „das Herz“? Sie setzte sich auf den Bettrand.
Frau Mertens schaute mich mit so viel Liebe und Verständnis an, dass ich völlig die Fassung verlor und nicht länger diese explosive, emotionale Mischung aus Kummer, Wut, Angst und Selbstmitleid unterdrücken konnte. Ich weinte und weinte, konnte gar nicht mehr aufhören und wehrte mich nicht dagegen, als sie mich tröstend in den Arm nahm und mich sachte wiegte, so wie man ein kleines, verängstigtes Mädchen in den Armen wiegt. Nein, ich wehrte mich nicht dagegen, ich suchte förmlich ihre Nähe und den großmütterlichen Trost, den sie mir spendete.
All mein Kummer brach also aus mir heraus und ich erzählte von Hardy, diesem elenden Schuft, an dem ich immer noch hing, und von dem rüden Vermieter, der mich einfach so vor die Tür setzen wollte.
Erst als es an der Haustür klingelte, löste ich mich erschöpft aus ihren Armen und ließ mich aufs Kissen fallen. Sie strich mir zärtlich über mein verschwitztes Haar und ging zur Tür, um dem Hausarzt zu öffnen, der wie versprochen zur Visite kam.
Ich bekam noch eine Spritze gegen die Schmerzen, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, und den dringenden Rat, mich gut pflegen und hätscheln zu lassen. Ich hatte keine Einwände, ehrlich gesagt.
Zum Abendessen brachte sie mir einen Teller Hühnersuppe und auch ein Nachthemd aus Baumwolle und eine Einweg-Zahnbürste. Ich fühlte mich richtig geborgen. Dieses schöne Gefühl hatte ich seit langer Zeit nicht mehr gespürt.
Es dauerte nicht lange, dann lag ich getröstet im Tiefschlaf.
Irgendwann in den frühen Morgenstunden wachte ich auf, weil ich dringend mal auf die Toilette musste. Im Traum war ich durch Kaufhäuser geeilt, auf der Suche nach einem Damen-Klo, aber auf jeder Tür war ein Herren-Symbol, das Hardy extrem ähnlich sah! „Kein Zutritt“! (Mistkerl, dachte ich.)
Ich verließ leise das Gästezimmer und ging barfuß in die Diele. Zu meinem Glück schien der Mond durchs Fenster und in seinem Lichtstrahl war die Badezimmertür gut ausfindig zu machen, es war nämlich ein kleines Porzellanschild daran, mit einer badenden Frau darauf abgebildet, die sich mit einer langen Bürste den Rücken schrubbte und eine altmodische Badehaube trug. Ich betrat leise den Raum.
Ah! Das tat gut.
Ich wusch mir leise die Hände und zog dann die Tür möglichst geräuschlos hinter mir zu. Die Dielen knarrten etwas, das konnte ich nicht verhindern. Mein Blick fiel auf das Bücherregal neben der Gästezimmertür. Darin lag ein Stapel Zeitschriften, und weil ich so wach war und sicher sobald nicht wieder einschlafen
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