Mischpoche
Uhrkette, zwei Paar goldene Ohrgehänge, drei Ringe, eine goldene Halskette und ein Paar goldene Manschettenknöpfe auf. Zudem beklagte sie den Verlust eines Überziehers und eines Paars ihrer Schuhe. Den ersten Teil der Nachricht vermochte Bronstein ja noch nachzuvollziehen. Die Kollegen hatten kein einziges Schmuckstück vorgefunden, sodass jemand, der seine Juwelen üblicherweise wie seinen Augapfel hütete, auch ohne näheres Nachdenken wissen mochte, was ihm geraubt worden war. Aber dass die Frau aus dem Stand sagen konnte, es fehle ein Mantel und ein Paar Frauenschuhe, das verwunderte ihn dann doch.
»Woher wissen S’ das mit dem Mantel und den Schuhen?«, fragte er daher.
»Weil das Luder damit ab’pascht ist«, kam es postwendend retour.
Nach leidlich zwei Stunden hatte Bronstein endlich einen Überblick über das Vorgefallene. Offensichtlich hatte sich die 20jährige Rosa Pichler bei der Hellebrand eingeschlichen, um festzustellen, ob es bei der Dame etwas zu holen gab. Und da dies der Fall gewesen war, schmiedete sie mit ihrem Geliebten den Plan, die Alte zu berauben. Hellebrand sagte aus, sie habe eben Bier holen wollen, und als sie zurückgekommen sei, habe sie den Liebhaber der Pichler gesehen, wie dieser mit einem Hackebeil ihren Kasten zertrümmerte. »Dort hab’ ich ja meinen Schmuck aufbewahrt, ned?!« Als das Pärchen erkannte, dass die Hellebrand früher als erwartet wieder eingetroffen war, beschloss es, die Zeugin zu beseitigen.
»Der ist mit dem Hackl auf mi losgangen, als wollt’ er mich schlachtigen. Ich hab mich natürlich g’wehrt mit Händ’ und Füß’, und g’schrien hab ich wie am Spieß. Dann hab’ ich mir denkt, solang‘ ich mich noch beweg’, hören die ned auf`, mich zu malträtieren, und so hab’ ich demonstrativ g’röchelt, die Augen verdreht und mich nimmer g’rührt. Dann haben s’ wirklich aufg’hört. Ich hab’ noch mitg’kriegt, wie das ausgschamte Mensch mein Mantel anzieht und meine Schuh, und dann sinds‹ raus. Wohin, das weiß ich nicht.«
Ja, das wusste auch Bronstein nicht. Noch nicht. Doch andererseits mochte es nicht sonderlich schwer sein, den beiden auf die Schliche zu kommen, denn sie wirkten alles andere als professionell. Man brauchte nur ein Auge auf die amtsbekannten Hehler zu werfen, dort würden die beiden früher oder später auftauchen, da sie, nach allem, was bislang über sie bekannt war, über keinerlei Barmittel verfügten, die Sore daher schnellstmöglich versilbern mussten.
Zudem war die Pichler keine Unbekannte. Obwohl erst 20 Jahre alt, hatte sie bereits hinlänglich unter Beweis gestellt, was für ein Früchtchen sie war. Mit 13 war sie aus dem Heim ausgebüchst, und seitdem pendelte sie ohne Unterlass zwischen Häfen und Kriminal. Auch diesmal, so war Bronstein überzeugt, würde es nicht lange dauern, bis die Pichler wieder gesiebte Luft atmen würde.
Zwischenzeitlich hatte Pokorny auch in Erfahrung gebracht, um wen es sich bei Pichlers Geliebtem handelte. Der Mann hieß Karl Matauschek und war 22 Jahre alt. Im April des Vorjahres war er aus der Volkswehr entlassen worden und seitdem ohne Arbeitsverhältnis geblieben. Wie die beiden bislang ihren Lebensunterhalt bestritten hatten, konnte nicht eruiert werden, aber für Bronstein lag der Verdacht nahe, dass die beiden sich darauf spezialisiert hatten, arglosen Vermietern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Offenbar verlief diese Tour eine Zeit lang ganz erfolgreich, doch jede Serie kam einmal an ihr Ende. Diesmal erwies sich der Bogen als überspannt. Matauschek und Pichler würden keinesfalls weit kommen, aber sie würden für ihre Untaten fraglos lange sitzen.
Tatsächlich begann das Netz um die beiden immer enger zu werden. Alle Beherbergungsunternehmen waren angewiesen, sofort Meldung zu erstatten, falls ein junges Pärchen bei ihnen ein Zimmer begehrte. Die Bahnhöfe wurden ebenso überwacht wie alle Hehler und Pfandleihanstalten. Und Bronstein hatte in der Galerie verbreiten lassen, dass es für Hinweise auf die beiden ein namhaftes Sümmchen geben würde. In der Tat kam am Donnerstag ein Kleinganove in das Präsidium und verlangte Bronstein persönlich zu sprechen. Nachdem dieser ihm versichert hatte, dass seine Information, so sie sich als stichhaltig erweisen würde, dem Staat tatsächlich eine ansprechende Remuneration wert sein würde, erklärte der Mann, jemand, auf den die Beschreibung Matauscheks passe, sei vor einer guten Stunde in der Leopoldstadt bei
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