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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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einem jüdischen Pfandleiher gewesen. Bronstein wiederholte, sollte sich diese Aussage als richtig herausstellen, werde man sich erkenntlich zeigen, und ließ den Mann stehen. Mit einem Dienstwagen fuhr er an die angegebene Adresse. Dort befand sich ein abgetakeltes Geschäft, auf dem groß der Name Mordechai Tajtelbaum geschrieben stand. Bronstein betrat den Laden, und eine Erscheinung wie aus einem antisemitischen Flugblatt tauchte unter dem Ladentisch hervor. Ein schier endloser weißer Rauschebart hing dem Mann fast bis zum Bauchnabel und verdeckte die untere Hälfte des Gesichts, während die obere durch ein schieres Wagenrad von Hut unsichtbar blieb. Die Gestalt schleppte sich mühsam auf Bronstein zu und linste den Kriminalisten unsicher an. Dabei gab sie einige Worte von sich, deren Bedeutung Bronstein verschlossen blieb. »Herr Tajtelbaum?«, fragte Bronstein.
    Die Person nickte und schickte eine neuerliche Wortfolge auf die Reise, die nun freilich anders klang. Offenbar hatte Tajtelbaum, nachdem er mit seinem ersten Versuch keinen Erfolg gehabt hatte, eine andere Sprache ausprobiert.
    »Wie wäre es mit Deutsch?«, schlug Bronstein vor.
    »Oj, Deitsch hot mar dar Barscheffer nit gegeben«, radebrechte Tajtelbaum. »Gavaritje Ruski? Ukrajnski?«
    Auch ohne zu wissen, was »gavaritje« bedeuten mochte, ahnte Bronstein, dass hier Russisch- oder Ukrainischkenntnisse gefragt waren. Dieser Kapu-irgendwas aus Hietzing, der kam doch aus der Ukraine. Vielleicht vermochte der sich mit dem Manne zu verständigen. »Bin gleich wieder da«, raunte Bronstein und verließ das Geschäft, einen »was fir a Goj«murmelnden Tajtelbaum zurücklassend.
    Leidlich eine Stunde später war Kapuszczak endlich aus Hietzing in der Leopoldstadt eingetroffen. Zuvor hatte er Bronstein am Telefon versichert, des Ruthenischen mächtig zu sein. In der Tat erhellte sich Tajtelbaums Miene, nachdem Kapuszczak sich in dieser Sprache bei ihm vorgestellt hatte. Auf die simple Frage des Uniformierten nach Karl Matauschek kam ein halber Roman aus Tajtelbaums Mund, den Kapuszczak penibel übersetzte. Fazit der Darlegungen war, dass Matauschek tatsächlich den gesamten Schmuck der Hellebrand bei Tajtelbaum habe versetzen wollen. Dieser hatte dem Geschäft auch zugestimmt, allerdings einschränkend gemeint, nicht über genügend Barmittel zu verfügen, um Matauschek sofort zufriedenstellen zu können. Daher sei vereinbart worden, dass Matauschek in drei Stunden wiederkomme, zu welchem Zeitpunkt man das Geschäft abschließen könne.
    Kapuszczak hatte eben seine Übersetzung beendet, als die Tür aufging und ein 22jähriges Milchgesicht in die Runde blickte. Eine Schrecksekunde lang bewegte sich Matauschek nicht, dann sprang er auf die Straße, warf die Tür zu und suchte sein Heil in der Flucht. Kapuszczak setzte ihm nach und riss ihn achtzig Meter vom Geschäft nieder. Dabei platzte Matauscheks Manteltasche auf und einige Ringe und Ohrgehänge kollerten über das Trottoir. Kapuszczak fixierte den Ganoven, dieweilen Bronstein, der nun auch herangekommen war, das Diebesgut aufhob. Er sah Matauschek lange an, dann schüttelte er nur den Kopf. »Was für ein Trottel«, murmelte er.
    Während sie auf den Gefangenenwagen warteten, fragte Bronstein unvermittelt: »Wieso können Sie eigentlich Ruthenisch?«
    »Weil bin aufwachsen dort.«
    »Ich hab’ geglaubt, Sie sind so ein strammer Deutschnationaler! Wenn Sie Ruthenisch besser sprechen als Deutsch – und das tun Sie –, warum sind Sie dann überhaupt hierhergekommen?«
    Kapuszczak zögerte eine Weile, als müsse er jedes seiner Worte sorgfältig abwägen. Dann erst antwortete er. »20 Jahre ich war Österreich dort. Nach Ende Monarchie und Anfang Republika, war Feind, obwohl immer bin Ruthene gewesen. Niemand mehr redete mit mir. Blieb nur Emigracija.«
    So war das also mit den Kapuszczaks, Narutinskys, Woprschaleks und Szentszerenyis. Sie hatten, historisch gesehen, auf das falsche Pferd gesetzt und eine Rechnung bezahlen müssen, für die jemand anderer verantwortlich zeichnete. Und jetzt gerierten sich diese Männer als Deutschnationale, in der Hoffnung, diesmal auf das richtige Pferd zu setzen. In Wirklichkeit, so wusste Bronstein, hatten diese Menschen ihre Heimat schon verloren, als sie sich bereit erklärt hatten, einem Herrn zu dienen, der von den Landsleuten als Fremdkörper empfunden worden war. Und so waren sie selbst zu Fremdkörpern geworden – dort wie hier. Bronstein bemühte sich um

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