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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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wissen, wird mein Chef von gewissen politischen Kreisen auf höchst aggressive Weise angefeindet. Die Deutschradikalen, die trachten ihm nach dem Leben. Und schön langsam kriegt es dieser feine Herr wirklich auch selbst mit der Angst. Stellen Sie sich Ihnen vor, Herr Inspektor, er hat sogar sein Testament g’macht. Und es vergeht kein Tag, an dem wir nicht etliche Briefe bekommen, in denen er mit dem Tod bedroht wird… Warten S’, ich hab’ Ihnen ein paar davon mitgebracht.«
    Die Lang griff in ihre Tasche und zog ein Bündel Briefe daraus hervor, das sie Bronstein über den Tisch hinweg in die Hand drückte. Bronstein öffnete wahllos einen davon und begann zu lesen: ›Du Judensau! Verrecke!‹ Nun, nicht gerade originell. Ein anderer Briefschreiber hatte sich da schon mehr Mühe gegeben: ›Wir werden dich auf die Gaslaterne hängen, du moralloses Schwein.‹ Ein dritter schien den Vogeldoktor vom Alsergrund dringend nötig zu haben, denn er beschrieb detailgenau, wie er Bettauer auszuweiden gedachte: ›Ich schlize dir den Bauch auf und hohle deine Gederme heraus, die gebe ich dir dann zum fressen, damit du daran erstikkst, du Ostler.‹ Ohne Frage war dieser Drohbriefschreiber eine Zierde seines germanischen Volkes. Bronstein verzichtete auf die Lektüre der restlichen Elaborate, sie würden ihn kaum noch überraschen können.
    »Das ist wahrhaft übel, Fräulein Lang«, wandte er sich wieder der Sekretärin zu, »aber glauben Sie mir, deshalb braucht man noch nicht den Kopf hängen zu lassen. Solche Post bekommt praktisch jede Berühmtheit, vom Filmsternchen bis zum verehrten Herrn Kardinal. Das ist so eine Art Ventil für schlichte Gemüter. Die würden es aber allesamt niemals wagen, ihren vorlauten Worten auch irgendeine Tat folgen zu lassen. Glauben Sie einem alten Kriminalisten: gefährlich sind nur die, die nichts ankündigen.« Dabei setzte Bronstein ein selbstbewusstes Lächeln auf.
    »Deswegen bin ich ja da«, insistierte die Lang.
    »Wie? Deswegen?«
    »Sehen S’, heute Vormittag war so eine komische Gestalt in der Kanzlei. Die hat eigentlich gar nichts g’sagt, außer natürlich, den gnädigen Herrn sprechen zu wollen, der aber nicht da war. Das hab’ ich dem Mann auch gesagt, und der hat sich erkundigt, wann er denn wieder da sei. Da hab’ ich halt g’sagt, um drei. Er hat g’nickt und ist gangen. Aber wissen S’, Herr Inspektor, den hätten S’ sehen müssen. Da ist es einem kalt über den Rücken gelaufen, wie der da war. Die ganze Art, wie der ’gangen ist und g’schaut hat. Direkt zum Gruseln. Und jetzt hab’ ich halt große Angst, dass der wiederkommt und dann dem gnädigen Herrn wirklich etwas antut.«
    Das war also des Pudels Kern. Die loyale, ihrem Chef bedingungslos ergebene Vorzimmerdame sorgte sich um das Leben ihres Brötchengebers, weil ein Schrull in den Räumlichkeiten der Redaktion aufgetaucht war, wie es wahrscheinlich alle zwei, drei Tage einmal geschah. Doch bislang hatte die Sekretärin keine Veranlassung gesehen, argwöhnisch zu sein. Nun aber übertrug sich die Angst des Chefs auf die Mitarbeiterin, und so sah sie plötzlich Gefahr, wo nach aller Logik gar keine war.
    Natürlich ließ Bronstein die Lang nicht an diesen seinen Gedanken teilhaben, denn dafür war ihre Erscheinung viel zu berückend. Einer solchen Schönheit musste man viel zuvorkommender begegnen.
    »Schauen Sie, gnädiges Fräulein, ich verstehe Ihre Sorge. Und ich meine, nebenbei bemerkt, dass der Herr Bettauer sich glücklich schätzen kann, eine derart fürsorgliche Assistentin zu haben. Auch bin ich weit davon entfernt, Ihrer Beobachtung nicht allerhöchste Priorität einzuräumen. Allerdings sind mir, und zwar von Gesetzes wegen, die Hände gebunden.«
    Er wartete einen Moment, wie die Lang auf diesen Satz reagieren würde. Doch da diese einfach nur dasaß und ihn durchdringend ansah, fuhr er erklärend fort: »Wir leben ja jetzt in einer Demokratie. Da darf die Polizei niemanden festnehmen, nur weil er, sagen wir, böse schaut. Selbst die Ankündigung eines Verbrechens ist als solche noch nicht strafbar, solange nicht der dringende Verdacht besteht, dass dieser Ankündigung auch tatsächlich eine Tat folgt.«
    Er langte in die Innentasche seines Jacketts und holte sein Zigarettenetui hervor. Er öffnete es und bot der Lang eine an, was diese jedoch ablehnte. So nahm er sich selbst eine Zigarette und zündete sie an. Nachdem er den Rauch ausgeblasen hatte, griff er den Gesprächsfaden wieder

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