Miss Braitwhistle 03 - Miss Braitwhistle hebt ab
Wolle«, hab ich gesagt.
»Und stickt einen weißen Totenkopf drauf«, hat Aki hinzugefügt. Wir dachten natürlich, die Mädchen würden gleich anfangen zu kreischen und uns mit Wolle zu bewerfen, aber Pauline hat genickt und gesagt: »Gar keine schlechte Idee, ist mal was anderes.« Und Annalisa meinte: »Für die Mausezähnchen nehmen wir dann Rot, Blutrot.«
Frau Obermeier brachte ein paar Bierhumpen mit Deckel, auf denen Sprüche standen wie:
Wenn’s Arscherl brummt, ist’s Herzerl g’sund.
»Die könnt ihr gern haben, ich trink sowieso lieber heiße Schokolade.«
Herr Fischli, der gerade ein altes Radio anbrachte, sagte: »Heiße Schokolade? Das ist auch mein Lieblingsgetränk.«
»Dann mach ich einen Stand mit heißer Schokolade«, hat Frau Obermeier gesagt.
Hugo hat sich gemeldet. »Aber das trinkt man doch nur im Winter, wenn es kalt ist.«
»Ja mei, heiße Schokolade kann man immer trinken, vor allem, wenn’s a ordentliche Butterbrezn dazu gibt.«
So ging das die ganze Zeit. Wir hatten ja nichts zu tun und egal, wie sehr die Mädchen uns löcherten, wir erzählten ihnen natürlich kein Sterbenswörtchen von unserer absolut genialen Idee.
Die Einladungen zum Flohmarkt, die wir eigentlich zu Hause abgeben sollten, hatten wir Jungs im Müll verschwinden lassen. Unsere Eltern hätten bloß unseren schönen Plan durchkreuzt.
Und dann war der Samstag endlich da. Auf dem Schulhof waren lauter Stände aufgebaut. An einigen gab es alten Krempel zu kaufen, an anderen selbstgebackenen Kuchen und die schwarzen Topflappen mit Totenköpfen drauf. Frau Obermeier schenkte heiße Schokolade aus und bestrich Brezeln dick mit Butter.
Herr Fischli kam mit Felix und drückte Clemens die Leine in die Hand. »Geht am besten mit ihm in den Park, er mag den Autoverkehr nicht.«
Wir gingen natürlich nicht mit ihm in den Park, sondern erst einmal aufs Klo. Aki hat Hugos Brille genommen und die Gläser mit Filzer schwarz angemalt. »Aber das geht doch wieder ab?«, hat Hugo ängstlich gefragt und Aki hat ihn beruhigt: »Na klar, kein Problem.«
Dann hat er Hugo so eine gelbe Binde um den Arm gewickelt mit drei schwarzen Punkten drauf. Schließlich haben wir Felix einen breiten Gürtel umgeschnallt, auf den wir
Blindenhund
geschrieben hatten. Eigentlich war es kein Gürtel, sondern der weiße Seidenschal von meiner Mutter, aber den benutzt sie sowieso nur, wenn sie mit meinem Vater ins Theater geht, und das ist höchstens zweimal im Jahr.
Dann sind wir aus der Schule und quer über die Straße zum Eiscafé Cortina. Da war bei dem schönen Wetter natürlich ordentlich was los. Max blieb stehen und las von einem Schild ab, was es alles für Sorten gab: »Blaubeer, Vanille, Schokolade, Eierpunsch, Krokant, Marzipan, Mandel, Pfefferminz, Pistazie, Walnuss, Waldmeister, Zimt, Bubble Gum – hey, hört mal, hier gibt’s sogar Kaugummi-Eis!«
Aber wir haben ihn weitergezogen bis zum Supermarkt. Da gibt es so einen Platz, wo die Leute ihre Einkaufswagen holen und die Hunde parken können. Wir haben Felix am Fahrradständer festgebunden und Hugo musste sich daneben setzen. Er hatte sich von zu Hause ein Kissen mitgebracht, das Weichei. Ich hab eine Blechbüchse vor ihn hingestellt.
»Was soll ich denn sagen, wenn mich jemand was fragt?«, hat er gejammert.
»Am besten gar nichts außer deinem Spruch«, hat Aki gesagt. »Hast du den etwa vergessen?«
»Natürlich nicht. ›Ich bitte um eine kleine Spende für ein armes, blindes Waisenkind.‹«
»Sehr gut«, hat Aki gesagt. »Und vergiss nicht: Das arme, blinde Waisenkind bist du!«
»Wollen wir nicht lieber ›armes, blindes, verprügeltes Waisenkind‹ sagen?«, hab ich gefragt, aber Aki meinte, das wäre dann doch zu dick aufgetragen.
»Keine Angst, wir sind ganz in deiner Nähe«, sagte Clemens. Wir wollten natürlich sehen, wie viel Geld Hugo einnahm, nicht, dass er am Ende damit durchbrannte.
Aki und ich haben uns hinter eine Litfaßsäule gestellt, Max hat so getan, als würde er die Eissorten im Cortina studieren, und Clemens half alten Damen, die Einkaufswagen zurückzurollen.
Zuerst sind die Leute einfach an Hugo vorbeigelaufen und haben ihn überhaupt nicht beachtet. Dann ist ein kleines Mädchen stehengeblieben und hat gesagt: »Darf man den Wauwau streicheln?«
»Ich bitte um eine Spende für ein armes, blindes Waisenkind«, hat Hugo gesagt und die Mutter hat das Mädchen schnell weggezerrt.
Eine alte Frau hat dann etwas in die Büchse geworfen und
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