Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
eintrat.
»Miss Cheringham läßt ausrichten, daß sie und Miss Carrick schon hochgegangen sind«, sagte Meredith mit dem Schnau-zer.
»Vielen Dank. Dann werde ich mal auch hochgehen. Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, erwiderten sie im Chor, und DeLancey
fügte noch ein »Träumen Sie süß« hinzu.
Daisy hoffte, Bott würde ihrem Beispiel folgen. Als sie an der Tür angekommen war, blickte sie sich um. Er war zum Tisch mit den Getränken hinübergegangen. Hinter ihm
schaute DeLancey mit spöttischem Gesichtsausdruck zu, wie Bott sich mit starrer Miene ein Glas Whisky eingoß. Daisy befürchtete, daß er den auch trinken würde.
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Der Mückenstich fing ernsthaft zu jucken an. Daisy rieb die Haut darum, verbiß sich den instinktiven Wunsch, daran zu kratzen, und wandte sich oben an der Treppe nach rechts.
Cherry trat gerade aus dem Badezimmer am Ende des
Flurs; unter seinem blauen Bademantel schauten blau-
gestreifte Pyjamahosen hervor. »Das ist die falsche Richtung«, sagte er und kam auf sie zu. »Sie schlafen doch bei Tish, nicht wahr? Ihr Zimmer ist da drüben, die erste Tür rechts neben der Treppe. Tante Cynthia hat uns Männer alle in diesem Flügel untergebracht.«
»Ach so, das hatte ich vergessen. Das vorige Mal habe ich hier drin übernachtet.« Sie wies auf die nächstgelegene Tür.
»Da sollten Sie jetzt wirklich nicht hineingehen. Da schlafen Fosdyke und dieser Bast… – diese Nervensäge DeLancey.
Fosdyke schläft immer wie ein Stein. Der wacht nicht so leicht auf, um Ihre Tugend zu verteidigen.«
»Ist DeLancey wirklich ein so schlimmer Finger?«
»Na ja, es gibt da eine heikle Geschichte über ihn und ein Ladenmädchen; daß er sich der Tochter eines Viscounts auf-drängen würde, glaube ich kaum. Trotzdem – dunkle Ecken würde ich meiden, wenn er in der Nähe ist. Tish hatte beim Maiball in Ambrose auch irgendwelche Schwierigkeiten mit ihm.«
»Und Rollo hat ihn dennoch in der Mannschaft behalten?«
»Er ist ein verdammt guter Ruderer, und die Mannschaft war zu dem Zeitpunkt schon zusammengestellt. Ihn wegzu-schicken hätte viel Ärger bedeutet. Die Einladung, hier zu übernachten, war auch schon ausgesprochen und angenommen worden. Also Pech auf der ganzen Linie.«
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»Wirklich eine unangenehme Situation.«
»Nicht wahr? Ich garantiere Ihnen, diesen miesen Kerl schlage ich zu Klump, wenn er Dottie noch ein einziges Mal frech kommt. Aber erst nach der Regatta«, fügte er hastig hinzu.
»Vorher natürlich nicht«, sagte Daisy und lachte. »Sie haben ziemlich gute Chancen auf den Sieg, nicht wahr?«
»Ziemlich gute, ja. Bott – die bittere Pille müssen wir schlucken, er ist nun mal ein erstklassiger Steuermann. Und das zählt doppelt, wenn die Rennstrecke so schmal ist, obwohl sie hier ja immerhin gerade verläuft. Auch der Vierer hat ganz gute Aussichten, im Visitors-Rennen vorn zu liegen. Ich hoffe sehr, daß wir das eine oder andere Rennen gewinnen.
Mir selber ist das nicht so wahnsinnig wichtig, aber Rollo würde das wirklich guttun. Der arme Kerl – er zeigt das nicht so deutlich, aber es geht ihm ungeheuer an die Nieren, daß er sein Examen nicht bestanden hat.«
»Ich werde Ihnen die Daumen drücken. Aber jetzt sollte ich besser zu Bett gehen«, sagte sie, als sich unten Schritte und lautes Gelächter näherten. »Guts Nächtle!«
»Gute Nacht, Daisy. Ich bin froh, daß Sie da sind. Dottie und Tish fühlen sich dann nicht ganz so in der Minderzahl!«
Daisy wandte sich lächelnd um. Die Männer kamen laut
polternd die Stufen empor.
»Leise!« warnte einer.
Sie widerstand der Versuchung, über das Geländer zu
schauen. Ob Bott sich so weit hatte reizen lassen? Hatte er mehr Whisky intus, als er verkraften konnte? Das würde sie ohne Zweifel am nächsten Morgen noch früh genug herausfinden. Immerhin könnte er sich nicht mehr beklagen, keiner würde mit ihm ein Glas heben.
Daisy fand Tish am Schminktisch vor, wie sie sich Nacht-creme aufs Gesicht schmierte. »Wie erleichternd, daß intellektuelle Vorlieben nicht noch den letzten Rest an weiblicher Eitelkeit auslöschen«, sagte sie.
»Eigentlich bin ich gar nicht so schrecklich intellektuell«, gab Tish zu und bestätigte damit die Ansicht ihrer Mutter, 36
»aber meine Tante – Cherrys Mutter – wäre wahnsinnig enttäuscht gewesen, wenn ich nicht studiert hätte. Und jetzt bin ich auch wild entschlossen, den Abschluß zu machen. Und wenn ich daran zugrunde gehe.«
»So schlimm ist das?«
»Nein,
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