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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Dunn
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Der Prolet verrät die Sache«, warf DeLancey verächtlich hin. »Ich hab immer schon gesagt, es ist ein Fehler, ihn als Steuermann einzusetzen. Diese Art von Unkraut, die nicht mal mit Alkohol umgehen kann wie 41
    ein Gentleman, hat doch nicht das geringste Verantwortungs-gefühl.«
    »Ja doch, verdammt noch mal, das geht in Ordnung! Ich mach das schon. Jetzt laßt mich bloß hier weg!« Bott preßte die Hand vor den Mund und flüchtete.
    »Noch einen Schluck vom selben Zeug, das gestern das
    Unheil angerichtet hat«, schlug Wells vor.
    »Aspirin und trockenen Toast«, riet Cherry.
    »Versuchen wir’s«, sagte Rollo ernst und warf DeLancey einen wütenden Blick zu. »Ich würde äußerst ungern aus dem Rennen aussteigen.«
    »Komm du jetzt mal her und frühstücke«, sagte Cherry.
    »Ich mach das schon mit ihm.«

    Daisy, Tish und Dottie wollten sich an der Ziellinie vom Rennen aufstellen und gingen, da sie über den Fluß setzen muß-
    ten und anschließend noch gute zweieinhalb Kilometer zu laufen hatten, lange vor dem avisierten Start los. Sie ließen die Ruderer auf dem Rasen zurück, wo sich diese mit ruckartigen Bewegungen aufwärmten, beobachtet vom immer noch lei-chenblassen Steuermann, der auf der Terrasse schlaff in einem Liegestuhl hingestreckt lag.
    Tish und Dottie ruderten Daisy in einem der Skiffs über den glitzernden Fluß. Daisy umklammerte auf dem Hinter-sitz fest die Leinen und tat ihr Bestes, zu steuern. Als sie vor Urzeiten das letzte Mal in einem Boot gesessen hatte, hatte sie es mit einer hölzernen Ruderpinne gelenkt, was bedeutete, daß man nach links drückte, wenn man nach rechts drehen wollte. Die Erinnerung daran hatte sich ihr eingeprägt und brachte sie jetzt völlig durcheinander, obwohl es eigentlich ganz einfach war: an der rechten Steuerleine ziehen, um nach rechts abzubiegen, linke Steuerleine für linke Kurve.
    Glücklicherweise hatten die anderen Skiffs, Beiboote, Bar-kassen, Kanus und Punts ihren Kurs stromaufwärts in Richtung Rennstrecke besser unter Kontrolle. Die drei Damen wurden angerufen, ausgelacht und angepfiffen, aber sie 42
    schafften es, wenn auch im leichten Zickzack, sicher hinüber zum Ufer von Remenham.
    Mit rotem Gesicht wickelte Tish die Vorleine um einen Pfosten. »Auf dem Rückweg wird einfach gar nicht gesteu-ert«, sagte sie streng, »sondern wir machen das mit den Skull-riemen.«
    »Bitte!« sagte Daisy und fächerte sich mit dem Hut Luft zu, um ihn dann, eingedenk der drohenden Ernte an neuen Sommersprossen, rasch wieder aufzusetzen. Der Hut war neu und diesmal nicht aus Selfridge’s Bargain Basement. Ihre immer so elegante Mitbewohnerin Lucy hatte eine wahre Fund-grube gefunden, eine kleine Putzmacherei in der King’s Road, wo die Preise noch niedrig waren, weil die Putzmacherin sich eben erst etabliert hatte.
    Der Hut aus dunkelblauem Stroh hatte die klassische
    Glockenform, die sich dann allerdings zu einer breiten Krempe aufschwang, um deren Kante sich Margueriten wanden. Er paßte perfekt zu Daisys blauem Voilekleid, das mit Margueriten bedruckt war, und sie gefiel sich ausnehmend gut. Mit den grandiosen Hutmodellen, die für das Royal-Ascot-Rennen vor zwei Wochen geschaffen worden waren
    – die Damen der Haute volée setzten sie diesmal in Henley noch einmal auf –, wollte sie nicht konkurrieren.
    Zudem, fand Daisy, wirkt ein extravaganter Hut alles andere als professionell. Sie blickte an ihrem Kleid hinab. Hätte sie ein Schneiderkostüm anziehen sollen? Dazu war es doch viel zu heiß!
    Schließlich hatte ihre Kleidung nichts mit ihren Fähigkeiten zu tun, bestärkte sie sich. Ihr Presseausweis vom Regattabüro lag sicher neben dem Notizblock in der Handtasche. Sie fragte sich, ob ihr die Bekanntheit der amerikanischen Zeitschrift den verschafft hatte oder das »Honourable« vor ihrem Namen, das sich für derlei Vorhaben schon mehr als einmal als nützlich erwiesen hatte.
    Sie gingen an sumpfigen Wiesen, mit glänzend gelben Hah-nenfußblüten betupft, auf dem Treidelpfad entlang. Noch wa-43
    ren nur wenige Zuschauer unterwegs. »Das da drüben ist die neue Startlinie«, zeigte Trish, als sie am stromabwärts gelegenen Rand von Temple Island angekommen waren. »Früher lag die auf der Buckinghamshire-Seite.«
    Ungefähr auf der Mitte des Inselufers hatte sich eine kleine Gruppe von Menschen versammelt. Die Barkasse von einem der Stewards, denen die Organisation des Rennens oblag, war bereits dort vor Anker gegangen, doch weder das Boot vom

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