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Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser

Titel: Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Dunn
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stand. Von ihrem erhöhten Aussichtspunkt aus folgte Daisy ihrem Blick und sah einen Achter, der aus der Engstelle nördlich der Insel hervorkam. Das schlanke Boot wirkte durch die Entfernung verkürzt, wie ein merkwürdig langsam kriechendes Insekt, dessen Beine aus Rudern sich im Paßgang hoben und senkten. Die Stimme des Steuermanns war schon zu hören.
    »Hab ich dich!« Dieser Triumphschrei aber kam aus der Nähe, ausgestoßen von einer weiblichen Stimme.
    Daisy schaute hinunter und sah ein Hinterteil, in fleckiges braunes Leinen gekleidet, das sich vorsichtig rückwärts aus einem Rosenbeet bewegte, gefolgt von einem breitkrempigen Strohhut.
    »Hallo, Tante Cynthia.«
    »Ich sage es ihm mit Menschen- und mit Engelszungen: bei Löwenzahn muß man mehr tun als immer nur die Blüte abschneiden.« Lady Cheringham richtete sich auf und streckte eine Hand im schlammbedeckten Handschuh vor, in der eine fast vierzig Zentimeter lange Löwenzahnwurzel baumelte.
    Auf ihrem schmalen Gesicht, von den Jahrzehnten unter der tropischen Sonne förmlich gegerbt, lag ein Lächeln. »Hallo, Daisy. Du liebe Zeit, ist es etwa schon nach vier Uhr?«
    Daisy ging die Stufen hinunter. »Viertel nach erst. Der Zug kam auf die Minute pünktlich, und der Chauffeur wartete ja schon am Bahnhof.« Sie stolperte fast über einen Gartenschlauch auf der untersten Stufe.
    »Vorsicht, Liebes! Ich habe gerade diesen gräßlichen Blattläusen auf den Rosen einen ordentlichen Giftcocktail verpaßt, und dann habe ich den Löwenzahn entdeckt.«
    »Ich hoffe, das war kein tödliches Gift? Dir ist da etwas auf die Bluse getropft.«
    »Nur Tabakwasser, aber ich sollte das wohl schnell aus-waschen. Gräßliche Flecken.« Lady Cheringham ließ die 8
    Löwenzahnleiche neben die am Boden liegende Düse des
    Gartenschlauches fallen. »Bister will einfach nicht zugeben, daß man mit einer schlichten Gartenhacke gegen dieses Unkraut völlig machtlos ist. Aber so ist das eben, wenn man sich nur einen Chauffeur-Schrägstrich-Gärtner-Schrägstrich-Mädchen-für-alles leisten kann.«
    »Ich finde Löwenzahn eigentlich ganz nett«, gestand Daisy.
    »Es wird ihn immer geben, keine Sorge. Egal, wie viele davon wir Gärtner abschlachten, es wachsen dauernd welche nach.« Ihre Tante nahm einen Korb mit Unmengen von rosa und gelben Rosen auf. »Eigentlich wollte ich ja nur mal die abgeblühten Rosen abschneiden und für euer Zimmer einen kleinen Strauß holen – ich hoffe, es macht dir wirklich nichts aus, bei deiner Cousine im Zimmer zu übernachten? Das Haus ist dieser Tage bis unter das Dach mit Gästen voll.«
    »Aber überhaupt nicht. Im Gegenteil, ich finde das groß-
    artig. Endlich lerne ich sie einmal etwas besser kennen. Patsy ist ja jetzt richtiggehend erwachsen, da wird uns der Altersunterschied von fünf Jahren nicht mehr so riesig vorkommen.«
    »Tish, Liebes. Patricia besteht dieser Tage darauf, Tish genannt zu werden. Der Himmel allein weiß, woher sie das hat.
    Vermutlich muß ich noch dankbar sein, daß sie und ihre Freundin Dottie sich nicht mit Nachnamen rufen.« Lady Cheringham winkte den beiden Mädchen am Fluß zu. »An-geblich ist das jetzt auf den Damen-Colleges Usus, die Männer nachzuäffen. So was Undamenhaftes! Manchmal frage ich mich, ob es wirklich so klug war, Patricia von Ruperts Bruder erziehen zu lassen, als wir im Ausland waren.« Sie seufzte.
    »Andererseits hat die Erziehung durch zwei Dons von Oxford Pat… – Tish sicherlich schon früh an das Studentenleben gewöhnt.« Daisy hoffte sehr, daß sie nicht eifersüchtig klang.
    Weder ihre Familie noch ihre Ausbildung hatten ihr ein Studium ermöglicht. Die Idee wäre ihr auch nie gekommen, hätte sie nicht den Zeitungen entnommen, daß Oxford University schon vor drei Jahren, also 1920, Frauen zum Studienabschluß 9
    zugelassen hatte. Mittlerweile war sie fünfundzwanzig und verdiente seit Jahren ihren Lebensunterhalt selbst. Für sie war das zu spät gekommen.
    Fröhlich sagte ihre Tante: »Ach, Patricia muß wie wild büffeln. Mehr Grips als ich bringt sie auch nicht mit. Und das ist auch gut so – ich glaube, sie hat sich seit neuestem Rollo Frieth an Land gezogen. Ein sehr charmanter junger Mann, aber wirklich keine große Leuchte. Obwohl er studiert; er ist im letzten Jahr am Ambrose College.«
    »Das ist doch auch die Bootsmannschaft, die während der Regatta hier bei euch übernachtet, nicht wahr?«
    »Ja, Ruperts Neffe rudert für Ambrose. Der arme Junge wurde Erasmus

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