Miss Emergency
heute macht es mir SpaÃ. »Zum Glück«, erwidere ich. »Bis dahin kann ich meine Macht gewissenlos ausnutzen und dich rücksichtslos quälen. Also mach den Arm frei und füg dich in dein Schicksal!«
»Ich versteh nur nicht, wieso du immer noch so unbeholfen bist«, grinst er dreist. »Du übst an mir seit einer Woche! Kann es sein, dass du langsamer bist als deine Kollegen?«
Na, diese Schrauben kann ich auch noch anziehen. Ich lächle überlegen. »Ehrlich gesagt: Bei den anderen Patienten kann ich es. Aber die weinen auch nicht. Wenn ich weiÃ, dass jemand so leicht heult, kann ich nicht widerstehen.«
»Dann nehme ich mal lieber sicherheitshalber meinen neuen Teddy in den Arm.« Er nimmt den Teddy â MEINEN Teddy! âvom Nachttisch. »Den hat mir eine mitfühlende Seele geschenkt, um mich über deine Brutalität hinwegzutrösten.«
Oh, jetzt kommen wir auf unsicheres Terrain. Weià er oder weià er nicht? Glaubt er echt an Marie-Luise?
»Wer war das denn, der dein geistiges Alter so gut geschätzt hat?«, frage ich.
Er lächelt. Ich glaube, er weià es nicht ⦠nicht genau â¦
»Das wüsstest du wohl gern«, entgegnet er. (Pah, mein Lieber, DU wüsstest es gern!) »Ich sag nur so viel«, setzt er nach, »sie hat mich dazu geküsst.«
Ha, ha, Herr Ritter, alles klar. Du willst mich provozieren. Aber so clever wie du bin ich allemal.
»Hab ich es doch gewusst«, sage ich. »Er ist von deiner Mami.«
Noch ungefähr zehn Minuten dauert meine Kontrolle und währenddessen geht unser Schlagabtausch unvermindert weiter. Und irgendwie tut das richtig gut. Okay, offenbar gehören zu einem Flirt zwischen uns immer Kampfansagen, Stolz und Frechheiten. Aber wir sind eben beide keine SüÃholzraspler â und das ist mir eigentlich angenehm. Als ich zum Abschied sage, dass ich später mit meiner Gruppe zur Visite wiederkomme, schlägt Manuel einen schmachtenden Romeo-Tonfall an.
»Müssen wir dann wieder so tun, als ob wir uns nicht längst versprochen wären?« Er klimpert mit den Augen.
»Leider darf niemand von uns erfahren!«, erwidere ich säuselnd. »Sonst werde ich aus der Klinik verstoÃen.«
Dann lachen wir beide. Voller Einverständnis, dass diese Flachserei GAR NICHTS bedeutet. Und trotzdem mit dem ganz, ganz leisen Unterton, der zeigt, dass wir es beide gemerkt haben. Es hat ein klein wenig geknistert. Unbedingt.
So ein Flirt versüÃt mir den ganzen Tag. Als ich lächelnd meinen Wagen weiter über den Flur schiebe, begegne ich Isa.
»Was ist denn mit dir los?«, fragt sie. »Du strahlst ja richtig!«
»Nur so«, lächle ich. Tja, meine Liebe, das ist MEIN Geheimnis.
A n meinem ersten Schultag habe ich fast geheult vor Aufregung. Heute, da meine erste selbstständige Untersuchung ansteht, bin ich nicht mehr so nah am Wasser gebaut. Aber die Aufregung ist mindestens so groà wie damals! Mit der Patientenakte im Arm stehe ich vor dem Funktionsraum wie einst vor der bunt bemalten Tür der 1c. Die Mischung aus schön und schrecklich, Angst und Stolz ist auch dieselbe. Nur Dr. Ross lächelt mir nicht so aufmunternd zu wie mein geliebtes Fräulein Ade; sie sagt nur knapp: »Patient ist unterwegs.«
Bei der Visite habe ich selbst eine weitere neurologische Untersuchung für den Patienten Ritter empfohlen. Aber ich dachte keine Sekunde, dass sie schon mir übertragen werden könnte. Doch Dr. Ross hat nur genickt und gesagt: »Gleich nach der Visite. Dann kann ich Ihre Untersuchung selbst überwachen.«
Und jetzt stehe ich hier, gleich kommt mein Patient, Dr. Ross blättert durch ihre Mappe â und ich versuche, im Kopf alles abzuspulen, was ich NICHT VERGESSEN DARF. Hätte ich doch nur eine halbe Stunde Zeit gehabt, noch mal ein einziges Buch aufzuschlagen!
Eine Schwesternschülerin schiebt eine Transportliege in den Raum. Sie lächelt verschämt; ich vermute, Manuel hat unterwegs eine anzügliche Bemerkung gemacht. Auch mich grinst er breit an.
»Was kann ich für Sie tun, Frau Doktor?«
Dr. Ross sieht von der Mappe auf und runzelt die Stirn.
»Neurologische Untersuchung«, sage ich schnell.
Dr. Ross runzelt noch mehr. Ja, Verzeihung. Es gehört sich, den Patienten umfassend über die anstehende Untersuchung zu informieren. Ich erkläre Manuel also alle
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