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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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Pustekuchen. Pünktlich zu Beginn der Mittagspause steht Schwester Klara bereit, Jenny muss ins Labor. Ich wechsle noch einen kurzen Blick mit Ruben – er lacht mich an, ich zeige den hochgereckten Daumen – und dann schlafe ich ein, den Kopf auf der Tischplatte. Isa, die mit ihrem Tablett an den Tisch kommt, rüttelt mich wach, so energisch, wie ich sie noch nie erlebt habe. Na klar, es ist ihr todpeinlich. Nicht nur für mich.
    Ich selber schäme mich erst eine halbe Stunde später. Dann nämlich wird mitgeteilt, dass wir Anfänger heute erstmals an der nachmittäglichen Fallbesprechung teilnehmen werden, bei der die älteren PJler ihre Patienten vorstellen. Jeweils ein PJler spricht über Krankengeschichte, Diagnose und Verlauf eines interessanten Patientenfalls und wir anderen spitzen die Ohren.Für alle PJler gilt dies als Vorbereitung auf das mündlich-praktische Examen, in dem wir selbstständig einen Patienten befragen, untersuchen und den Bericht darüber schreiben sollen.
    Na toll! Das ist es, worauf ich gewartet habe; so habe ich mir das Lernen als angehende Ärztin vorgestellt – mit den anderen interessante Fälle diskutieren und über Diagnosen rätseln … Und jetzt hänge ich im Schulungsraum wie ein Schluck Wasser und statt engagiert teilzunehmen, wünsche ich mir nur, dass der Nachmittag schnell vergeht und mich bis dahin niemand anspricht. Jenny setzt sich in die letzte Reihe und stellt einen großen Ordner aufgeklappt vor sich auf den Tisch. Ich kenne den Trick aus der Schule und wette, dass sie dahinter ein Schläfchen versucht. Ich schwanke zwischen Neid und Empörung. Ich würde mich so etwas nie trauen! Doch zu meiner eigenen Überraschung denke ich schon wenige Minuten später gar nicht mehr an Schlaf. Gegen Müdigkeit hilft, außer Schlaf, nichts besser als Begeisterung. Das ist bei mir immer so. Damals, als ich zum ersten Mal allein mit meinen Freundinnen zum Zelten fahren durfte, haben wir drei Tage durchgemacht. Als ich so schrecklich in Tilo verliebt war und wir nachts stundenlang heimlich telefoniert haben, brauchte ich gar keinen Schlaf. Und auch jetzt hilft mir meine Begeisterung über die Trägheit hinweg, die Müdigkeit ist wie weggeblasen.
    Paul, der Streber mit der Brille, berichtet von einem Patienten mit einer Sonderform von Diabetes, die mit einer schweren Insulinresistenz einhergeht. Und siehe da, Paul spricht interessant und verständlich – und mit genau der richtigen Mischung aus ärztlicher Neugier und Mitgefühl für den Patienten. Nach wenigen Minuten hat er mich in seinen Bann gezogen, ich schreibe mit fliegender Feder mit und stelle eine Frage nach der anderen. Dr. Ross, die die Vorstellung beaufsichtigt, ist noch gar nicht zu Wort gekommen, als die Stunde auch schon wie im Flug vergangen ist. Im Rausgehen wecke ich ganz unauffällig Jenny hinter ihrem Ordner, die eisern beteuert, sie habe keine Sekunde geschlafen. Isa, die Brave, plant noch einen Abstecher zum Buchausverkaufund ehrlich, vor einer halben Stunde, im diskussionsaufgeputschten Hochgefühl, dachte ich, ich würde auch das noch schaffen. Aber Pustekuchen. Jetzt zeigt mir mein Körper deutlich, was sich seit den durchgemachten Nächten auf dem Zeltplatz verändert hat: Ich habe einige Jahre mehr auf dem Buckel. Und den schaffe ich jetzt eilig nach Hause ins Bett.
    In meinem Zimmer liegen die von Jenny geborgten Partyklamotten in einem wilden Haufen. Als ich sie zusammenlege, finde ich einen Zettel. Ruf mich an, Rupert. Nur das. Keine Telefonnummer. Denkt er, ich wüsste seine Nummer? Glaubt er, ich könnte mir ruhig die Mühe machen, sie rauszufinden? Oder hat er schlicht keine Ahnung, dass man, um jemanden anzurufen, vor der Verbindungsherstellung Zahlentasten drücken muss?
    Ich kann mich heute definitiv nicht mehr mit solchen Fragen beschäftigen. Tut mir leid, Rupert. Ich falle ins Bett. Nie wieder Party – mindestens bis nächste Woche!

E s ist sonnenklar: Isa hat ein Geheimnis. Beim Frühstück erzählt sie, dass der Bibliotheksverkauf ein Reinfall war; Isa hat kein einziges nützliches Buch erworben. Stattdessen hat sie ein Stadtmagazin gekauft und zeigt uns, was sie am Wochenende erleben möchte. Jenny lehnt diese Magazine entschieden ab und behauptet, nach so etwas richteten sich nur Zugezogene, aber Isa kontert fröhlich, dass sie genau das

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