Miss Marples letzte Fälle
für Hunde und Pfe r de. Du wirst natürlich reiten. Es wird dir Spaß machen. Drüben in Eglinton gibt es ein Pferd, das du dir ansehen solltest. Ein herrliches Tier, sehr gut abgerichtet, ohne Launen und mit viel Temperament.«
Der Wagen wurde langsamer, um in das Tor von »Kingsdean« einzufahren. Harry riss fluchend das Len k rad herum und konnte einen Zusammenstoß gerade noch vermeiden, als eine groteske Gestalt mitten auf die Straße sprang. Dort stand sie, schüttelte die Faust und rief ihnen nach.
Louise packte ihn am Arm. »Wer ist das – diese schreckliche alte Frau?«
Harrys Gesicht war finster. »Das ist die alte Mu r gatroyd. Ihr Mann war Hausmeister in dem alten Haus. Sie haben dort fast dreißig Jahre gelebt.«
»Warum droht sie dir mit der Faust?«
Harrys Gesicht wurde rot. »Sie – nun, sie war dagegen, dass das Haus abgerissen wurde. Sie wurde natürlich en t lassen. Ihr Mann ist seit zwei Jahren tot. Man sagt, dass sie seitdem ein bisschen sonderbar ist.«
»Muss sie – muss sie hungern?«
Louises Vorstellungen waren unklar und etwas mel o dramatisch. Reichtum verhindert den Kontakt mit der Wirklichkeit.
Harry war empört. »Mein Gott, Louise, was für ein G e danke! Ich habe ihr natürlich eine Rente ausgesetzt, übr i gens eine recht gute! Ich habe ihr ein kleines Haus b e sorgt und alles.«
»Aber was hat sie dann?«, fragte Louise verwirrt.
Harry sah sie stirnrunzelnd an. »Wie soll ich das wissen? Sie ist verrückt. Sie liebte das Haus.«
»Aber es war doch eine Ruine, oder nicht?«
»Natürlich war es das, die Mauern verfallen, das Dach undicht, es war lebensgefährlich. Aber anscheinend hat es ihr etwas bedeutet. Sie hat dort sehr lange gelebt. Ach, ich weiß nicht! Die Alte ist verrückt, glaube ich.«
Louise sagte unsicher: »Ich glaube, sie hat – sie hat uns verflucht. Ach Harry, ich wollte, das hätte sie nicht g e tan.«
Louise hatte das Gefühl, dass ihr neues Heim durch die boshafte Gestalt dieser verrückten alten Frau vergiftet und verseucht war. Wenn sie mit dem Wagen fortfuhr, wenn sie ausritt, wenn sie mit den Hunden spazieren ging, wartete immer die gleiche Gestalt auf sie. Da hockte sie, einen zerbeulten Hut auf den strähnigen eisengrauen Haaren, und murmelte Verwünschungen.
Louise kam zu der Überzeugung, dass Harry Recht ha t te – die alte Frau war wahnsinnig. Aber das machte die Sache keineswegs leichter. Mrs Murgatroyd kam niemals wirklich bis zum Haus, sie stieß auch keine direkten Dr o hungen aus und wurde nicht gewalttätig. Ihre hockende Gestalt blieb immer draußen dicht vor dem Tor. Eine Anzeige bei der Polizei wäre nutzlos gewesen, und auße r dem war Harry Laxton gegen ein solches Vorgehen. Er meinte, das würde nur die öffentliche Sympathie für die alte Frau wecken. Er nahm die Sache leichter als Louise.
»Mach dir keine Sorgen, Liebling. Sie wird diese albe r nen Späße bald leid sein. Vielleicht wollte sie es nur ei n mal ausprobieren.«
»Das tut sie nicht, Harry. Sie – sie hasst uns, das fühle ich. Sie – sie verflucht uns.«
»Sie ist keine Hexe, wenn sie auch so aussieht. Lass dich nicht verrückt machen.«
Louise schwieg. Jetzt, nachdem die ersten Aufregungen des Umzugs vorüber waren, fühlte sie sich sonderbar einsam und verlassen. Sie war an ein Leben in London und an der Riviera gewöhnt gewesen. Sie wusste nichts vom englischen Landleben und hatte auch keine Neigung dazu. Sie verstand nichts von der Gartenarbeit, außer Blumen zu schneiden. Sie machte sich nichts aus Hu n den. Die Nachbarn, die sie traf, langweilten sie. Am mei s ten Spaß machte ihr das Reiten, manchmal mit Harry, und wenn er mit dem Gut viel Arbeit hatte, allein. Sie trabte durch die Wälder und Felder und freute sich an dem leichten Gang des schönen Pferdes, das Harry ihr gekauft hatte. Aber selbst Prince Hal, ein lammfrommer kastanienbrauner Hengst, scheute und schnaubte, wenn er seine Herrin an der hingekauerten Gestalt der bosha f ten alten Frau vorbeitrug.
Eines Tages nahm Louise ihr Herz in beide Hände. Sie ging spazieren. Sie war an Mrs Murgatroyd vorüberg e gangen, anscheinend ohne sie zu bemerken, aber plöt z lich kehrte sie um und ging direkt auf sie zu. Etwas ate m los fragte sie: »Was gibt es? Was ist los? Was wollen Sie?«
Die alte Frau blinzelte sie an. Sie hatte ein verschlagenes dunkles Zigeunergesicht mit strähnigem, eisengrauem Haar und verschwommenen misstrauischen Augen. Lou i se fragte sich, ob sie eine Trinkerin
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