Miss Marples letzte Fälle
Miss Harmon.
»Wir wissen, wie er war! Aber jetzt wird er doch…«
»Ach«, sagte Miss Harmon. »Männer sind immer gleich. Einmal ein Schwindler, immer ein Schwindler. Ich kenne sie.«
»Du lieber Gott. Das arme junge Ding.« Miss Brent sah sehr glücklich aus. »Ja, ich glaube, sie wird Ärger mit ihm haben. Man sollte sie warnen. Ich frage mich, ob sie von den alten Geschichten gehört hat.«
»Ich finde es unfair, dass sie nichts davon weiß«, sagte Miss Harmon. »So peinlich. Besonders weil es im Dorf nur diese eine Drogerie gibt.«
Denn die Tochter des Tabakhändlers war jetzt mit dem Drogisten, Mr Edge, verheiratet.
»Es wäre sicher besser«, sagte Miss Brent, »wenn Mrs Laxton bei Boot in Much Benham einkaufen würde.«
»Ich nehme an«, meinte Miss Harmon, »dass Harry La x ton ihr das selbst vorschlagen wird.«
Und wieder tauschten sie einen bedeutungsvollen Blick.
»Aber ich finde wirklich«, sagte Miss Harmon, »dass sie es wissen sollte.«
»Diese gemeinen Biester!« sagte Clarice Vane empört zu ihrem Onkel, Dr. Haydock. »Manche Leute sind wirklich schrecklich!«
Er sah sie neugierig an.
Sie war ein großes dunkles Mädchen, hübsch, warmhe r zig und impulsiv. Ihre großen braunen Augen blitzten vor Empörung, als sie sagte: »Mit ihren widerlichen Gerüc h ten und Andeutungen.«
»Über Harry Laxton?«
»Ja, über sein Verhältnis mit der Tochter des Taba k händlers.«
»Ach, das!« Der Arzt zuckte die Achseln. »Die meisten jungen Männer haben so ein Verhältnis.«
»Natürlich haben sie das. Und es ist vorbei. Warum also darauf herumreiten? Und es nach Jahren wieder aufwä r men? Das ist wie Leichenfledderei.«
»Ja, ich glaube, meine Liebe, dass es auf dich so wirkt. Aber weißt du, sie haben hier wenig, worüber sie reden können, und deshalb neigen sie dazu, alte Skandale au f zubauschen. Aber mich würde interessieren, warum das dich so aufregt?«
Clarice Vane biss sich errötend auf die Lippen. Mit merkwürdig gedämpfter Stimme sagte sie: »Sie – sie sehen so glücklich aus. Die Laxtons meine ich. Sie sind jung und verliebt, und die Welt ist schön für sie. Ich hasse den Gedanken, dass das durch Andeutungen und Unterste l lungen und Gerüchte und Gemeinheiten zerstört werden könnte.«
»Ja. Ich verstehe.«
Clarice fuhr fort. »Er hat gerade mit mir gesprochen. Er ist so zufrieden und glücklich und – ja, richtig aufgeregt –, dass er seinen Herzenswunsch erfüllt und ›Kingsdean‹ neu aufgebaut hat. Er ist wie ein Kind. Und sie – nun, ich glaube, sie hat nie im Leben auf etwas verzichten müssen. Sie hat immer alles gehabt. Du hast sie gesehen. Was hältst du von ihr?«
Der Arzt antwortete nicht sofort. Andere Leute moc h ten Louise Laxton vielleicht beneiden. Ein verwöhntes Glückskind. Bei ihm hatte sie nur die Erinnerung an den Refrain eines alten Liedes geweckt, das er vor vielen Ja h ren gehört hatte, Armes kleines reiches Mädchen…
Eine kleine zerbrechliche Gestalt mit flachsfarbenem Haar, das lockig und widerspenstig ihr Gesicht einrahmte, und große, sehnsüchtige blaue Augen.
Louise war ein bisschen erschöpft. Der lange Strom der Gratulanten hatte sie ermüdet. Sie hoffte, dass bald Zeit zum Aufbruch sein würde. Vielleicht war es schon soweit. Sie sah Harry von der Seite an. So groß und breitschultrig – mit seiner schlichten Freude an dieser schrecklichen, langweiligen Party.
Armes kleines reiches Mädchen…
»Aaah!« Es war ein Seufzer der Erleichterung.
Harry warf seiner Frau einen belustigten Blick zu. Sie waren auf dem Rückweg von der Party.
»Liebling«, sagte sie. »Was für eine schreckliche Party!«
Harry lachte. »Ja, wirklich schrecklich. Aber du weißt, mein Schatz, es musste sein. Alle diese alten Tanten ke n nen mich seit meiner Kindheit. Sie wären furchtbar en t täuscht gewesen, wenn sie dich nicht aus nächster Nähe hätten besichtigen können.«
Louise verzog das Gesicht. »Müssen wir sie oft sehen?«, fragte sie.
»Wie? Aber nein. Sie kommen und machen ihre offizie l len Besuche mit Visitenkarten, und du erwiderst die B e suche, und dann brauchst du dich nicht mehr um sie zu kümmern. Du kannst dir deine eigenen Freunde suchen oder was immer du willst.«
Nach einer kurzen Pause sagte Louise: »Gibt es hier denn niemand, der ein bisschen amüsant ist?«
»Aber ja. Da gibt es den Jagdklub zum Beispiel. O b wohl du die vielleicht auch ein bisschen langweilig finden wirst. Sie interessieren sich fast nur
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