Miss Marples letzte Fälle
machen. Mit ›er sagte‹, ›sie sagte‹, ›das Mädchen dachte‹ und so fort. Die Fakten der Geschichte sind wahr.«
»Aber wieso ein Rätsel?«, fragte Miss Marple.
Dr. Haydock grinste. »Weil Sie die Lösung finden so l len. Ich will sehen, ob Sie wirklich so klug sind, wie Sie immer tun.«
Mit diesem Partherpfeil zog er sich zurück.
Miss Marple nahm das Manuskript und begann gleich darin zu lesen.
»Und wo ist die Braut?«, fragte Miss Harmon lebhaft.
Das ganze Dorf war neugierig auf die reiche und sch ö ne junge Frau, die Harry Laxton aus dem Ausland mitg e bracht hatte. Man hatte allgemein viel Nachsicht mit Ha r ry, diesem jungen Taugenichts, der dieses Glück gehabt hatte. Sie hatten immer Nachsicht mit Harry gehabt. S o gar die Besitzer der Fensterscheiben, die der rücksichtsl o sen Benutzung seines Katapults zum Opfer fielen, hatten entdeckt, dass ihre Empörung sich verflüchtigte, wenn Harry sich reumütig entschuldigte. Er hatte Fenster ze r brochen, Obstgärten geplündert, Kaninchen gewildert, und später hatte er Schulden gemacht, mit der Tochter des Tabakhändlers ein Verhältnis angefangen, das Ve r hältnis gelöst und sich nach Afrika abgesetzt, und das Dorf, das im Wesentlichen aus alten Jungfern bestand, hatte nachsichtig gemurmelt: »Nun ja! Ihn sticht der H a fer! Er wird ruhiger werden.«
Und jetzt war der verlorene Sohn zurückgekehrt, aber nicht in Schande, sondern im Triumph. Harry Laxton hatte sein Glück gemacht, wie es hieß. Er hatte sich z u sammengerissen, schwer gearbeitet, und endlich hatte er ein junges französisches Mädchen kennen gelernt, das ein beträchtliches Vermögen besaß, und erfolgreich um sie angehalten.
Harry hätte in London leben oder ein Gut in einem hübschen Jagdrevier kaufen können, aber er zog es vor, in den Teil der Welt zurückzukehren, der ihm Heimat bedeutete. Und dort kaufte er in einem Anfall von R o mantik einen verfallenen Herrensitz, in dessen Gesind e haus er seine Kindheit verbracht hatte.
Kingsdean House war seit nahezu siebzig Jahren unb e wohnt gewesen und allmählich immer mehr verfallen und verkommen. Ein älterer Hausmeister lebte mit seiner Frau in dem einzigen noch bewohnbaren Winkel. Es war ein weitläufiges, reizloses, pompöses Gebäude, und der Garten, überwuchert von üppiger Vegetation und verdü s tert von Bäumen, wirkte wie die Höhle eines Zauberers. Das Gesindehaus, ein freundliches, bescheidenes Gebä u de, war für eine lange Reihe von Jahren an Major Laxton, Harrys Vater, vermietet gewesen. Als Knabe hatte Harry das Anwesen von Kingsdean durchstreift und kannte jeden Winkel im verwilderten Unterholz, und das alte Haus hatte ihn immer verzaubert.
Major Laxton war vor einigen Jahren gestorben, und so hätte Harry eigentlich keinen Grund gehabt zurückzuke h ren, aber trotzdem brachte er seine Braut in das Heim seiner Kindheit. Das verfallene alte Herrenhaus wurde abgerissen. Ein Heer von Baumeistern und Architekten schwärmte über den Platz, und in einer fast wundersam kurzen Zeitspanne – das kann nur Reichtum bewirken – erhob sich das neue Haus weiß und glänzend zwischen den Bäumen.
Als Nächstes kam eine Schar von Gärtnern und nach ihnen eine Prozession von Möbelwagen.
Das Haus war fertig. Dienstboten trafen ein. Als Let z tes setzte eine teure Limousine Harry und Mrs Harry vor dem Eingang ab.
Das Dorf war neugierig, und Mrs Price, die das größte Haus besaß und sich zu den besten Kreisen des Ortes rechnete, verschickte Einladungskarten für eine Party, um die Braut kennen zu lernen.
Es war ein großes Ereignis. Mehrere Damen hatten sich für die Gelegenheit neue Kleider gekauft. Alle waren neugierig, aufgeregt, und zitterten vor Verlangen, dieses Fabelwesen zu sehen. Es war wie ein Märchen, sagten sie.
Miss Harmon, eine sonnengegerbte, lebhafte alte Jun g fer, drängte sich mit einer Frage durch die Menge in der Wohnzimmertür. Die kleine Miss Brent, eine dürre, sä u erliche Frau, gab ihr aufgeregt Antwort.
»Ach, meine Liebe, ganz entzückend. So gute Manieren. Und so jung. Es macht einen richtig neidisch, jemand zu sehen, der einfach alles hat. Gutes Aussehen und Geld und Erziehung – äußerst vornehm, gar nichts Gewöhnl i ches an ihr –, und der liebe Harry hängt so an ihr!«
»Nun«, sagte Miss Harmon. »Es ist noch nicht aller T a ge Abend.«
Miss Brents Nase zitterte aufgeregt. »Ach, meine Liebe, glauben Sie wirklich…«
»Wir wissen alle, wie Harry ist«, sagte
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