Miss Marples letzte Fälle
»Ja, wen sehe ich denn da? Das ist doch Bella.«
Mrs Edge, die aus dem Hinterzimmer gekommen war, um sich der Kunden im Laden anzunehmen, zeigte ihre großen weißen Zähne und strahlte ihn freundlich an. Sie war ein dunkles, hübsches Mädchen gewesen und immer noch eine recht ansehnliche hübsche Frau, obwohl sie zugenommen hatte und ihre Gesichtszüge härter gewo r den waren. Aber ihre großen braunen Augen waren voll Wärme, als sie erwiderte: »Ja, ich bin Bella, Mr Harry, und ich freue mich, Sie nach so langer Zeit zu sehen.«
Harry drehte sich zu seiner Frau um. »Bella ist eine alte Flamme von mir, Louise«, sagte er. »Ich war über beide Ohren verliebt. War es nicht so, Bella?«
»Genau so war es«, sagte Mrs Edge.
Louise lachte. »Mein Mann ist sehr glücklich, alle seine alten Freunde wiederzusehen«, sagte sie.
»Ach«, erwiderte Mrs Edge. »Wir haben Sie nicht ve r gessen, Mr Harry. Es ist wie ein Märchen, dass Sie gehe i ratet und anstelle des alten verfallenen Gebäudes von ›Kingsdean‹ ein neues Haus gebaut haben.«
»Sie sehen glänzend aus«, sagte Harry, und Mrs Edge lachte und sagte, es ginge ihr auch gut, und was nun mit dieser Zahnbürste wäre?
Clarice, die den verwunderten Blick in Miss Harmons Gesicht sah, dachte frohlockend: Gut gemacht, Harry. Du hast ihnen die Mäuler gestopft.
Dr. Haydock fragte seine Nichte: »Was soll dieser Unsinn über die alte Mrs Murgatroyd, die sich bei Kingsdean herumtreiben, die Fäuste schütteln und die neue Her r schaft verfluchen soll?«
»Das ist kein Unsinn. Es ist die Wahrheit. Es hat Louise schrecklich aufgeregt.«
»Sag ihr, sie soll sich keine Sorgen machen. Als die Murgatroyds noch Hausmeister waren, haben sie nie au f gehört, über das Haus zu schimpfen; sie blieben nur, weil Murgatroyd ein Trinker war und keine andere Arbeit b e kam.«
»Ich werde es ihr sagen«, meinte Clarice zweifelnd. » A ber sie wird es vermutlich nicht glauben. Die alte Frau tobt vor Wut.«
»Aber als Kind hatte sie Harry sehr gern. Ich verstehe das nicht.«
Clarice sagte: »Nun ja, sie werden sie bald los sein. Ha r ry bezahlt ihr die Überfahrt nach Amerika.«
Drei Tage später wurde Louise vom Pferd abgeworfen und starb.
Zwei Männer in einem Bäckerwagen waren Zeugen des Unfalls. Sie sahen, wie Louise durch das Tor ritt, sahen, wie die alte Frau aufsprang, auf der Straße stand, mit den Armen ruderte und schrie, sie sahen, wie das Pferd lo s rannte, schwankte und wie verrückt die Straße hinunte r raste und wie Louise Laxton kopfüber hinunterstürzte.
Der eine beugte sich über die bewusstlose Gestalt und wusste nicht, was er tun sollte, und der andere rannte ins Haus, um Hilfe zu holen.
Harry Laxton stürzte mit bleichem Gesicht heraus. Sie hängten eine Tür des Lieferwagens aus, legten sie darauf und trugen sie ins Haus. Sie starb, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen, bevor der Arzt eintraf.
(Ende von Dr. Haydocks Manuskript.)
Als Dr. Haydock am nächsten Tag kam, freute er sich festzustellen, dass Miss Marples Wangen leicht gerötet waren und ihr Benehmen entschieden lebhafter war.
»Nun«, fragte er. »Wie lautet Ihr Spruch?«
»Wo liegt das Problem, Dr. Haydock?«, erwiderte Miss Marple.
»Ach, meine Liebe, muss ich Ihnen das sagen?«
»Ich nehme an«, sagte Miss Marple, »dass es das so n derbare Verhalten der Hausmeisterin ist. Warum benahm sie sich so merkwürdig? Gewiss, die Leute wehren sich dagegen, aus ihren Häusern verdrängt zu werden. Aber es war nicht ihr Haus. Tatsächlich hat sie geschimpft und sich beschwert, solange sie dort wohnte. Ja, das sieht wirklich verdächtig aus. Was wurde übrigens aus ihr?«
»Sie verschwand nach Liverpool. Der Unfall hatte sie erschreckt. Sie wollte lieber dort auf das Schiff warten.«
»Für irgendjemand äußerst bequem«, sagte Miss Marple. »Ja, ich glaube, das Problem des Verhaltens der Hau s meisterin kann sehr leicht erklärt werden. Bestechung, oder nicht?«
»Ist das Ihr Vorschlag?«
»Nun, wenn das nicht ihr natürliches Verhalten war, muss sie eine ›Rolle‹ gespielt haben, und das bedeutet, dass jemand sie für dieses Spiel bezahlt hat.«
»Und wissen Sie auch, wer dieser jemand war?«
»Ach, ich glaube schon. Es hat wieder mit Geld zu tun. Und ich habe immer beobachtet, dass Männer stets den gleichen Typ verehren.«
»Jetzt komme ich nicht mehr mit.«
»Nun, es hängt alles zusammen. Harry Laxton verehrte Bella Edge, eine dunkle, lebhafte Frau. Ihre Nichte
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