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Miss Marples letzte Fälle

Miss Marples letzte Fälle

Titel: Miss Marples letzte Fälle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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vorgestellt, einem großen, dunkelhaarigen Mann mit einer Narbe, die über die linke Gesichtshälfte lief!
    Nun, das wär ’ s. Ich wüsste gern, was Sie an meiner Ste l le getan hätten. Da stand die junge Frau – dieselbe junge Frau –, und dort der Mann, den ich mit eigenen Augen gesehen hatte, wie er sie erwürgte – und die beiden sol l ten in etwa einem Monat heiraten…
    Hatte ich einen prophetischen Blick auf zukünftige E r eignisse getan oder nicht? Würden Sylvia und ihr Mann in der Zukunft irgendwann einmal hierher zu Besuch ko m men, würde man ihnen jenes Zimmer (das beste Gäst e zimmer) geben, und würde die Szene, deren Zeuge ich gewesen war, grausame Wirklichkeit werden?
    Was sollte ich tun? Konnte ich überhaupt irgendetwas tun? Würde irgendein Mensch Neil oder das Mädchen selbst – mir Glauben schenken?
    Während der ganzen Woche, die ich dort verbrachte, wälzte ich dieses Problem in meinen Gedanken hin und her.
    Sollte ich sprechen oder sollte ich es nicht tun? Obe n drein hatte sich die Situation sehr bald noch weiter ko m pliziert. Ich hatte mich nämlich vom ersten Augenblick an in Sylvia Carlslake verliebt. Ich begehrte sie mehr als alles andere auf der Welt. Und in gewisser Weise waren mir dadurch die Hände gebunden.
    Und dennoch, wenn ich schwieg, würde Sylvia sich mit Charles Crawley verheiraten, und Crawley würde sie t ö ten…
    Und so platzte ich am Tag vor meiner Abreise dann doch mit meiner ganzen Geschichte vor ihr heraus. Ich sagte, sie halte mich gewiss für nicht ganz richtig im Kopf, aber ich könne ihr feierlich schwören, dass alles ganz genau so gewesen sei, wie ich es ihr geschildert h a be, und ich sei der Meinung, wenn sie Crawley unbedingt heiraten wolle, so müsse sie wenigstens von meinem so n derbaren Erlebnis erfahren.
    Sie hörte mir schweigend zu. In ihren Augen war ein Ausdruck, den ich nicht enträtseln konnte. Sie wurde überhaupt nicht böse. Als ich geendet hatte, dankte sie mir bloß in ernstem Ton. Wie ein Narr wiederholte ich immer wieder: »Ich hab ’ s gesehen. Ich hab ’ s ganz b e stimmt gesehen«, und sie antwortete: »Wenn du es sagst, ist es bestimmt so. Ich glaube dir.«
    Nun, um es kurz zu machen, ich reiste ab, ohne zu wi s sen, ob ich richtig gehandelt oder ob ich eine Dummheit begangen hatte, und eine Woche später löste Sylvia ihre Verlobung mit Charles Crawley.
    Kurz darauf brach der Krieg aus, und die Ereignisse ließen einem kaum Zeit, an etwas anderes zu denken. Ich traf Sylvia zufällig ein- oder zweimal, während ich auf Urlaub war, aber ich ging ihr so weit wie möglich aus dem Weg.
    Ich liebte und begehrte sie so heftig wie zuvor, aber i r gendwie hatte ich das Gefühl, es wäre unfair, ihr das zu zeigen. Ich war schuld, dass sie ihre Verlobung mit Cra w ley gelöst hatte, und ich redete mir unablässig ein, dass ich meine Handlungsweise nur rechtfertigen konnte, i n dem ich mich Sylvia gegenüber völlig neutral verhielt.
    Dann kam Neil 1916 im Feld ums Leben, und mir fiel die Aufgabe zu, Sylvia von seinen letzten Augenblicken zu berichten. Danach war es nicht mehr möglich, zu der steifen Förmlichkeit, die vorher zwischen uns geherrscht hatte, zurückzufinden. Sylvia hatte Neil vergöttert, und er war mein bester Freund gewesen. Sie war so süß – so anbetungswürdig in ihrem Kummer. Es gelang mir nur mit größter Mühe, meine Gefühle für mich zu behalten, und als ich wieder einrückte, betete ich, dass eine Kugel der ganzen unglückseligen Geschichte ein Ende machen möge. Ein Leben ohne Sylvia schien mir nicht mehr l e benswert.
    Aber für mich war keine Kugel bestimmt. Eine streifte mich unterhalb des rechten Ohres, und eine andere wu r de von einem Zigarettenetui in meiner Brusttasche abg e lenkt, doch ich kam ohne ernstliche Verwundung davon. Charles Crawley fiel Anfang 1918.
    Irgendwie änderte das alles. Als ich im Herbst 1918 unmittelbar vor dem Waffenstillstand nachhause kam, ging ich sofort zu Sylvia und sagte ihr, dass ich sie liebte. Ich hatte nicht viel Hoffnung, dass sie meine Neigung erwiderte, und war wie vor den Kopf geschlagen, als sie mich fragte, warum ich ihr das nicht schon viel früher gesagt hätte. Ich stotterte etwas von Rücksicht auf Cra w ley, und sie fragte: »Aber warum, glaubst du, habe ich damals mit ihm Schluss gemacht?« Und sie gestand mir, wie ich mich in sie, so habe auch sie sich in mich vom ersten Augenblick an verliebt. Ich erklärte ihr, ich hätte geglaubt, sie habe ihre

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