Miss Monster
Haß auf sie war wie ein Stachel. Immer tiefer bohrte er sich.
Aber auch Wiebke mußte hoch, um Luft zu bekommen. Sie ließ Brenda los und stellte noch fest, daß sie weggeschwemmt wurde. Dann brachte sie ihr Gesicht über die Oberfläche, schnappte nach Luft und beschloß, es beim nächsten Angriff anders zu machen.
Dazu kam sie nicht mehr.
Sie schwamm, und sie hatte plötzlich das Gefühl, daß jemand aus ihrem Körper eine Hülle gezerrt hatte. Sie wußte nicht, was sie denken und tun sollte, und sie wunderte sich auch, daß sie sich im Wasser befand. Nicht weit entfernt schaukelte ein Bootskörper auf den Wellen, und dann erschien Brenda Jackson aus der Tiefe.
Sie bewegte sich kaum, trieb wie eine Tote an der Oberfläche entlang, und Wiebke brüllte den Namen ihrer Freundin.
»Himmel, Brenda, was ist denn?«
Sie wollte hinschwimmen, als plötzlich ein Körper über ihrem Kopf hinwegschwang und fast dort eintauchte, wo Brenda Jackson so leblos dicht unter der Oberfläche trieb.
Für sie war dieser Mann ein Fremder. Es war ihr auch egal. Hauptsache, er rettete Brenda…
***
Tropfnaß saß ich im Boot, und wir alle wußten nicht so recht, was wir sagen und wo wir beginnen sollten.
Am schlechtesten ging es Wiebke Crotano, die mit dem Begriff Miss Monster überhaupt nichts anfangen kokonnte. Sie hatte ihn zwar von mir gehört, aber sie schaffte es nicht, ihn in einen gewissen Zusammenhang zu ihrem Schicksal zu bringen.
Wie würde sie erst reagieren, wenn ich sie auf die beiden Morde ansprach. Die waren nun mal geschehen und konnten auch nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Der alte Kahn lag ziemlich tief im Wasser. Vier Personen waren fast zuviel für ihn.
Wiebke weinte. Brenda versuchte sie zu trösten, und ich stach das Ruder in das dunkle Wasser. Sehr langsam ruderten wir dem Ufer entgegen. Barry F. Bracht murmelte immer wieder etwas vor sich hin, das ich aber nicht verstand.
Er jedenfalls hatte uns gerettet, und die Erinnerung an die Tat kehrte nur allmählich zurück.
Jedenfalls war er Zebuion gewesen und in die Welt des Bösen eingedrungen.
Für ihn war es eine neue Erfahrung gewesen. Bisher hatte er nur die Alptraumwelten der schlafenden Menschen besuchen können. Ich war gespannt, was er aus dieser neuen Perspektive machte. Als wir das Boot verlassen hatten, sprach Wiebke Crotano mich an. Sie hatte Mühe, die Sätze zu formulieren. »Brenda hat mir alles erzählt. Das… das ist ja schrecklich!«
»Leider ja.«
»Und jetzt?« Sie war stehengeblieben und schaute mich an.
»Ich kann es dir nicht sagen. Wahrscheinlich wird dir nichts passieren, aber das müssen andere Stellen entscheiden.«
»Mein Gott, die wissen doch nichts von diesem Schrecken.«
»Keine Bange, Wiebke, sie werden davon erfahren. Dafür sorgen Barry F. Bracht und ich.«
Was auch immer geschehen würde, eines stand fest: Auf der Schule würde die ehemalige Miss Monster nicht bleiben. Und das war auch sehr gut so…
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Taschenbuch Nr. 73 118 »Knochen-Mond«
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