Miss Pettigrews grosser Tag
Pettigrew.
Miss LaFosse nickte ein wenig verschämt.
»Ganz gleich, wer es ist«, sagte sie ernst, »eine Frau hegt doch immer so etwas wie sentimentale Gefühle für den Mann, der sie heiraten will, auch wenn sie nicht vorhat, ihn zu heiraten, und ihn grässlich findet. Es spielt keine Rolle, wer er ist oder wie er ist, er ist doch gleich etwas Besonderes. Ich nehme an«, Miss LaFosse blickte tiefsinnig, »ein Heiratsantrag ist nun einmal das größte Kompliment, das es gibt, und es schmeichelt der Eitelkeit.«
Miss Pettigrew empfand keine Sympathie für Michael. Gewiss, sie wollte Miss LaFosse verheiratet sehen. Die Ehe war der beste Schutzhafen für sie. Aber es sollte keine gewöhnliche Ehe sein. Sie wollte keine gewöhnliche Ehe für Miss LaFosse. Sie wollte Glück, Romantik, Glanz. Die Vorstellung, dass Miss LaFosse mit einem öden, farblosen Niemand aus der Provinz ein unbedeutendes Leben fristete, schmerzte sie. Und sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Michael genau das war.
»Ich vermute«, fragte Miss Pettigrew hoffnungsvoll, »er ist kein künftiger Baronet und hat auch sonst keine Titel oder Ähnliches zu erwarten?«
»Oh nein«, sagte Miss LaFosse. »Michael? Nichts dergleichen.«
»Das dachte ich mir«, sagte Miss Pettigrew betrübt.
»Sein Vater hatte ein Fischgeschäft in Birmingham«, erläuterte
Miss LaFosse, »und seine Mutter war Schneiderin. Aber er ist schon mit sechzehn Richtung Süden gezogen. Man könnte ihn wohl als einen Selfmademan bezeichnen.«
»Ich verstehe«, sagte Miss Pettigrew zutiefst enttäuscht.
Sie verabscheute Michael. Sie wusste, wie spießig und engstirnig solche Männer sein konnten, die alles aus eigener Kraft geschafft hatten. Mr. Sapfish zum Beispiel, bei dem sie in Fulbury in Stellung gewesen war. Ein verachtenswerter Mensch. Kein Stammbaum. Kein würdiger Hintergrund, weder bei ihm noch bei seiner Frau. Klammerten sich krampfhaft um Ansehen bemüht an ihren neuen Status. Fürchteten sich, vom schmalen Pfad der Tugend abzuweichen, aus Unsicherheit darüber, was dann geschehen würde. Hatten Angst, sich ins Leben zu stürzen, und waren doch über die Maßen fasziniert von dem, der es tat. Miss Pettigrew kannte sich in der Psychologie aus und wusste über Hemmungen Bescheid. Wenn sie den Preis in Händen hielten, was dann? Bedrohliches Geflüster und das Gerede der Leute. »Seine Frau, na, Sie wissen schon …« Wachsame, nervöse Blicke, die jede Bewegung der Ehefrau verfolgten. Arme Mrs. Sapfish! Miss LaFosses munterer Geist wäre auf ewig gebrochen. Ihre Flügel wären gestutzt.
»Nein, nicht Michael!«, betete Miss Pettigrew. »Es muss noch einen anderen geben.«
»Gibt es nicht sonst noch jemanden, der Sie heiraten will?«, fragte Miss Pettigrew hoffnungsvoll.
Miss LaFosses Miene heiterte sich auf. Das Thema schien sie zu interessieren.
»Tja, da wäre Dick«, sagte sie, »aber er hat kein Geld und schielt. Er ist Reporter, und Reporter haben nie Geld.«
»Zwecklos«, sagte Miss Pettigrew bestimmt.
»Und dann noch Wilfred, aber er hat schon zwei Kinder von Daisy LaRue, und ich finde, er sollte sie heiraten.«
»Ohne jeden Zweifel«, pflichtete Miss Pettigrew bei, schockiert, gleichwohl mit sündigem Interesse.
»Das wird er wohl auch, sobald er über mich hinweg ist. Er hängt sehr an Joan und George.«
»Die armen Schätzchen!« Miss Pettigrew wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand.
»Also streichen wir Wilfred«, sagte Miss LaFosse heldenmütig.
»Und das wären schon alle?«, fragte Miss Pettigrew enttäuscht.
»Ja, ich glaube wohl. Im Augenblick jedenfalls. Ich, nun ja, ich habe mich in letzter Zeit auch nicht ernsthaft um i rgendetwas bemüht.«
»Tja«, sagte Miss Pettigrew, widerwillig um Fairness bemüht, »ich kenne Michael ja noch gar nicht …«
Miss LaFosses Blick fiel auf die Uhr.
»Ach du liebe Zeit!«, japste sie. »Sehen Sie bloß, wie spät es ist. Sie müssen ja am Verhungern sein.«
Ungestüm wandte sie sich zu Miss Pettigrew um.
»Oh bitte! Sagen Sie doch, dass Sie noch bleiben können. Oder haben Sie einen anderen Termin? Ich habe nicht die mindeste Lust, allein zu Mittag zu essen.«
Miss Pettigrew lehnte sich zurück, von wonnevollem Schwindel befallen.
»Oh nein«, sagte sie. Ihre Stimme strahlte förmlich vor Glück. »Ich habe keinen weiteren Termin. Ich esse liebend gern mit Ihnen zu Mittag. Ich habe den ganzen Tag frei.«
FÜNFTES KAPITEL
13:17 – 15:13
S ie aßen zu Hause, und Miss
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