Miss Pettigrews grosser Tag
diese Behandlung vermutlich verdient hatte. Ja. Miss Pettigrew gestand es sich ein. Sosehr sie Miss LaFosse auch verehrte, um der Ehrlichkeit willen musste sie zugeben, dass ihre Freundin
durchaus imstande sein mochte, etwas zu tun, was rechtschaffene Verärgerung nach sich zog, und eben dies schien hier der Fall zu sein. Durch die Abenteuer des Tages gestählt, erreichte ihr Scharfsinn ungeahnte Höhen und bescherte ihr die entsprechende Erkenntnis. Dem kurzen Wortwechsel hatte Miss Pettigrew entnommen, dass Miss LaFosse dem jungen Mann etwas Unverzeihliches angetan und sich damit Ärger eingehandelt hatte. Das hatte sie selbst zugegeben. Somit erfolgte die Bestrafung zu Recht. Nachdem sie ihr ganzes Erwachsenenleben lang mit Kindern zu tun gehabt hatte – und was war Miss LaFosse schon anderes als ein ausgewachsenes Kind -, hatte Miss Pettigrew gegen eine maßvolle, unumgängliche Bestrafung durchaus nichts einzuwenden. Sie beschloss, den weiteren Gang der Ereignisse abzuwarten. Es blieb noch reichlich Zeit, um einzugreifen, falls es tatsächlich nötig sein sollte. Zunächst musste sie begreifen, worum es hier eigentlich ging.
Der junge Mann hatte Miss LaFosse seinem Gefühl nach offenbar genügend durchgeschüttelt.
»Darauf habe ich geschlagene dreißig Tage lang gewartet. Und, was hast du zu sagen?«
»Ich h... hab’s verdient«, sagte Miss LaFosse atemlos und erstaunlich unterwürfig.
Er funkelte sie grimmig an.
»Das ist wieder deine Masche, stimmt’s? Versuch gar nicht erst, mich zu beschwatzen.«
»Nein... nein!«, sagte Miss LaFosse hastig.
Er lockerte seinen Griff.
»Weil du es nämlich nicht schaffst … diesmal nicht.«
»Ich werde es nicht versuchen«, sagte Miss LaFosse kleinlaut.
Er trat von ihr zurück.
»O doch, das wirst du, aber es zieht nicht mehr. Das war das letzte Mal, dass du mich vor aller Welt zum Trottel gemacht hast.«
»O bitte«, sagte Miss LaFosse verzweifelt, »sag das nicht. Tu, was du willst. Schüttle mich meinethalben noch mal durch.«
»Ich will dich nicht noch mal durchschütteln.«
Miss LaFosse blickte erleichtert.
»Da bin ich aber froh. Es war nicht sonderlich angenehm.« Sie ließ ein einschmeichelndes Lächeln sehen. »Nachdem das nun erledigt ist, willst du mir nicht endlich einen Kuss geben?«
»O nein, meine Süße. Ich spiele nicht mehr mit.«
Miss LaFosse sah ihn verblüfft an. Er beantwortete ihre stumme Frage mit ausgesucht grimmiger Miene.
»Ja, ich bin fertig damit.«
»Aber …«, begann Miss LaFosse.
»Kein Aber, keine Ausflüchte, keine Ausreden mehr. Für mich ist Schluss. Du hältst mich kein zweites Mal zum Narren. Das lasse ich mir von keinem Mann gefallen … und auch von keiner Frau.«
»Oh!«, hauchte Miss LaFosse.
»Lass dir das gesagt sein. Ich bin völlig verrückt nach dir, das weißt du, aber auch ich habe meine Grenzen. Und die sind erreicht. Du hast zum letzten Mal Schindluder mit mir getrieben. Entweder spurst du … oder ich gehe.«
Seine letzten Worte kamen finster heraus. Miss Pettigrew spürte, dass sie ernst gemeint waren. Miss LaFosse ebenfalls. Sie erbleichte ein wenig. Miss Pettigrew setzte sich hin. Ihr Herz hämmerte wie wild. Sie gedachte, die neue Situation ausgiebig zu genießen, musste aber auch hellwach bleiben, um im Notfall einschreiten und Rettungsmaßnahmen ergreifen zu können.
»Also«, sagte der Besucher übellaunig, »ich warte immer noch auf eine Erklärung.«
Miss LaFosse sackte auf einen Stuhl.
»Oh!«, wimmerte sie. »Ich habe gekniffen.«
»Vielen Dank«, sagte der junge Mann. »Freut mich zu hören, was du von mir hältst.«
Er fuhr sich zornig mit der Hand durchs Haar. Sehr schönes, dichtes Haar, der neuesten Mode entsprechend glatt nach hinten gekämmt. Weder hell noch dunkel. Ein angenehmer Zwischenton, der ihn Mann sein ließ, ohne ihn als blonden Helden oder düsteren Bösewicht abzustempeln. Er war nicht mehr ganz jung. Keine zwanzig und auch keine fünfundzwanzig mehr. Vielleicht Anfang dreißig, aber für Miss Pettigrew waren alle Männer unter vierzig jung.
»O bitte«, sagte Miss LaFosse flehentlich. »Das war es nicht. Ich hatte bloß in letzter Minute das Gefühl, ich stehe das nicht durch. Oh! Ich kann es nicht erklären. Es tut mir schrecklich, schrecklich leid. Mir hat vor dem Tag gegraust, an dem du zurückkommst.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, sagte er ruhig. »Sehenden Auges einem Mann Hoffnungen zu machen, bis er sich wie der König der Welt fühlt, und
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