Miss Pettigrews grosser Tag
dreißig Tage kassiert, ohne Wenn und Aber. Ich dachte mir, er würde sich schon wieder beruhigen, bis er rauskommt, aber wie es aussieht, hat er sich nicht beruhigt.«
»Eine Sauftour!« Miss Pettigrew versagte die Stimme. »Ihm eins verpasst.«
Ihr schwirrte der Kopf. Sie hatte Miss LaFosses Worten mit äußerster Aufmerksamkeit gelauscht und sich daraus alles korrekt zusammengereimt. Zutiefst enttäuscht hatte Michael sich betrunken und einen Gesetzeshüter im wahrsten Sinne des Wortes vor den Kopf gestoßen. Er war ein Knastbruder, ein Trunkenbold, ein Mann, der höchst verabscheuungswürdig gegen die hehren Regeln der britischen Verfassung verstoßen hatte. Er hatte einen Polizisten in Ausübung seiner Pflicht attackiert. Er war bis an sein Lebensende mit einem Eintrag ins Strafregister gebrandmarkt. Ihm gebührte die tiefste Verachtung, deren sie, Miss Pettigrew, fähig war. Stattdessen stieg, nein schoss er in ihrer Wertschätzung nur umso höher. Allein der Gedanke an ihn versetzte sie in Erregung. Was für ein Mann. Sie goss ein Füllhorn an Sympathie über ihn aus. Wer
wollte nicht Narreteien verzeihen, die aus Liebe begangen wurden? Selbst Miss LaFosse musste sich doch von diesem übermächtigen Beweis seines gebrochenen Herzens überzeugen lassen. Mit gespannter Erwartung wandte Miss Pettigrew sich ihr zu.
»Er hatte ganz recht«, sagte Miss LaFosse. »Ich habe nur so getan, als hätte ich gekniffen. Es war eigentlich etwas anderes. Wenn Nick nicht wäre, würde ich Michael vielleicht tatsächlich heiraten … obwohl, ich weiß nicht«, sagte Miss LaFosse düster. »Das will gut überlegt sein. Wenn man bedenkt, wie …«
»Oh, also bitte!«, unterbrach Miss Pettigrew sie atemlos. »Ich meine … wenn Sie die beiden an ein und demselben Tag gesehen haben … das ist doch kein Vergleich …«
Miss LaFosse stand auf und lehnte sich mit dem Kopf an den Kaminsims.
»Sie verstehen es nicht«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Ich empfinde noch immer das Gleiche für Nick.«
Miss Pettigrew fehlten die Worte. Wie konnte eine Frau, die Michael näher kannte, Nick vorziehen, so faszinierend Nick auch sein mochte? Der eine war Gold, der andere nur Blendwerk. Doch woher nahm sie das Recht, einer jungen Dame, die mit drei Liebhabern gleichzeitig jonglierte, Ratschläge zu erteilen, nachdem sie selbst bisher noch nicht einen einzigen gehabt hatte! Sie stürzte sich tapfer kopfüber ins kalte Wasser.
»Meine liebe Miss LaFosse«, wandte Miss Pettigrew erregt ein, »bitte überlegen Sie es sich doch noch einmal. Michael ist ein Mann. Nick ist nur eine … eine Krankheit.«
»Es hat keinen Zweck«, sagte Miss LaFosse resigniert. »Das weiß ich alles selber.«
»Weiß Michael von Nick?«, fragte Miss Pettigrew entmutigt.
»Er weiß, dass wir befreundet sind«, sagte Miss LaFosse, »aber nicht, na ja, wie sehr.«
»Das will ich hoffen«, sagte Miss Pettigrew.
»Was ich nicht weiß …«, zitierte Miss LaFosse ein bekanntes Sprichwort.
»Ganz recht«, stimmte Miss Pettigrew aus vollem Herzen und ohne einen Gedanken an ihre einstigen moralischen Überzeugungen zu.
»Und nun«, sagte Miss LaFosse trübsinnig, »werde ich mich wohl von Michael verabschieden müssen.«
»O nein!« Miss Pettigrew war den Tränen nahe.
»Sehen Sie«, erläuterte Miss LaFosse, »ich habe mir nie falsche Vorstellungen von Michael gemacht, auch wenn er das meint. Ich habe immer gewusst, dass irgendwann der Moment kommt, an dem er ›Schluss, Aus, Ende‹ sagt. Und ich Ja oder Nein sagen muss. Jetzt ist es so weit. Sie haben ihn gehört. Er meint es ernst. Ich kenne Michael. Oje. Ich weiß, ich hätte ihn nicht hinhalten sollen. Aber ich wollte einfach nicht, dass er geht und eine andere ihn bekommt.«
»O bitte!«, flehte Miss Pettigrew. »Könnten Sie nicht doch Ja sagen? Sobald es geschafft ist, werden Sie es keinen Tag mehr bereuen, da bin ich mir sicher.«
»Ich weiß nicht«, sagte Miss LaFosse noch einmal düster. »Es gibt Gründe, wieso …«
Michael hämmerte erneut gegen die Tür. Miss LaFosses Gründe blieben unerklärt. Sie puderte sich hastig die Nase. Miss Pettigrew machte auf.
»Was habe ich gesagt?«, fragte Michael. »Ein vernünftiger Mensch. Man muss nur taktvoll vorgehen, ihm gut zureden, ein bisschen was zustecken, und schon hat man, was man will.«
Er knallte eine Flasche Whiskey auf den Tisch. Miss
LaFosse holte einen Korkenzieher. Miss Pettigrew brachte Gläser.
»Sag Halt«, sagte
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