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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Winifred Watson
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sie dann in tausend Stücke zu zerschlagen, um einer neuen Laune willen, schätze ich mal! Das war nicht gerade eine Ruhmestat. Wenn du nicht eingewilligt hättest … aber das hattest du. Das war das Entscheidende.«
    Miss LaFosse versuchte es mit einem weiteren Bettelblick. Plötzlich rannen ihr ein paar Tränen aus den Augen. Der Neuankömmling runzelte die Stirn und stürzte sich von Neuem auf sie. Er nahm Miss LaFosse in die Arme und küsste sie. Die Wirkung war wundersam. Miss LaFosse schenkte ihm ein wässriges Lächeln aus verschleierten Augen.

    »Nie und nimmer wollte ich dir wehtun«, sagte sie und schluckte. »Ich hätte nie gedacht, dass du … es so auffassen würdest.«
    »Hör auf zu weinen, sonst hast du hinterher rote Augen und gibst mir die Schuld«, sagte der Kussgeber herrisch. »Ich weiß, dass du nur eine Schau abziehst. Leider sind männliche Wesen für dergleichen empfänglich. Ich verspreche, nicht länger zu brüllen, aber es tut mir nicht leid, dass ich dich so zusammengestaucht habe. Unter den gleichen Umständen würde ich es wieder tun, nur dass es keine solchen Umstände mehr geben wird. Ich hoffe, das habe ich dir jetzt ausreichend eingebläut.«
    Bei den letzten Worten klang seine Stimme wieder ein wenig grimmig. Miss LaFosse sah zu ihm auf. Er sah zu Miss LaFosse herab. Er bückte sich und gab ihr noch einen Kuss, dann zog er sie hoch. Stirnrunzelnd betrachtete er sie einen Moment lang, drehte sich dann um und grinste Miss Pettigrew an.
    »Tag auch. Denken Sie sich nichts wegen unserem kleinen Scharmützel.«
    »Nicht im Geringsten«, sagte Miss Pettigrew.
    »Delysia hat gern Publikum. Sie ist es nicht anders gewöhnt. Die Tränen galten Ihnen, damit Sie denken, ich sei ein Rohling.«
    »Oh, bitte«, sagte Miss Pettigrew nervös – hin und her gerissen zwischen Loyalität zu Miss LaFosse und Sympathie für diesen eigenartigen jungen Mann.
    »Sehe ich aus wie ein Rohling?«
    »Nein«, sagte Miss Pettigrew.
    »Sehe ich aus wie ein Menschenfresser?«
    »Nein«, keuchte Miss Pettigrew.
    »Sehe ich aus wie jemand, der seine Frau schlägt?«
    »Ganz und gar nicht«, sagte Miss Pettigrew entrüstet.

    »Na bitte«, triumphierte der unbekannte Besucher. »Was kann man noch mehr von einem Mann erwarten? Kein Rohling, kein Menschenfresser, keiner, der Frauen schlägt. Bestätigt von einer Geschlechtsgenossin. Hölle und Teufel, ich glaube, ich bin zu gut für dich.«
    Miss LaFosse begann haltlos zu kichern. Miss Pettigrew setzte sich, von freudigem Interesse gepackt, aufrecht hin. Dieser hochgewachsene Mensch hatte ein außerordentlich gewinnendes Lächeln.
    »Oh bitte«, kicherte Miss LaFosse weiter. »Benimm dich.«
    »Welche Unhöflichkeit«, sagte der Besucher indigniert. »Welcher Undank. Das schreit doch geradezu nach einem kleinen Muntermacher. Ich will einen Drink. Himmelherrgott, Weib, wo bleibt dein Sinn für Gastfreundschaft? Wo die bewundernswerte Gabe einer echten Gastgeberin, ihren Gästen die Wünsche von den Augen abzulesen?«
    »Da hinten steht jede Menge«, sagte Miss LaFosse.
    »Ich hole etwas«, bot Miss Pettigrew an.
    »Nichts da. Ich werde ja wohl noch eine Flasche tragen können, oder?« Er hieb auf den Tisch. »Meine Güte, Delysia, wer zum Teufel hat eigentlich dieses Zimmer eingerichtet, hier sieht es aus wie in der Verführungsszene aus Trottie tanzt ins Glück.«
    »Es ist doch sehr hübsch«, sagte Miss LaFosse hitzig. »Ich habe alles selber ausgesucht.«
    »Dein Geschmack ist eine einzige Katastrophe.«
    Er stürmte in die Küche. Sie hörten ihn herumpoltern, Tisch und Stühle anrempeln, Schranktüren zuwerfen und klirrend Gläser auf ein Tablett stellen.
    »Ein sehr geräuschvoller junger Mann«, sagte Miss Pettigrew amüsiert.

    »Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen«, bestätigte Miss LaFosse.
    Plötzlich drangen Wutschreie aus der Küche.
    »Oh!«, sagte Miss Pettigrew.
    »Oh!«, sagte Miss LaFosse.
    Ein zornrotes Gesicht zeigte sich in der Tür.
    »Herrschaftszeiten, Weib!«, brüllte der Besucher. »Wie oft muss ich dir noch sagen, dass Whiskey, W-h-i-s-k-e-y, das einzig wahre Getränk für einen Mann ist? Es ist Rum da, es ist Portwein da, es ist Sherry da, es ist sogar dieses grauenvolle Gin-Gesöff da, aber nicht ein Tropfen Whiskey. Wo hast du nur deine fünf Sinne? Denkst du denn gar nicht an deine Besucher?«
    »Ach herrje!«, sagte Miss LaFosse matt. »Tut es nicht doch irgendeins von denen?«
    »Nein. Im Augenblick will ich einen Drink.

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