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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Winifred Watson
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gestemmt, die andere ruhte auf der polierten Oberfläche des Instruments. Sie trug ein gewagtes weißes Abendkleid mit einem eng anliegenden Unterkleid aus Satin, dessen raffinierter Schnitt jede ihrer aufregenden Kurven betonte, und einem bodenlangen, weit ausgestellten Überwurf aus bauschigem, durchsichtigem Tüll – ja, es war so gewagt wie raffiniert, und dennoch wirkte es ungekünstelt und unschuldig. Den einzigen Farbkontrast bildete Miss LaFosses goldblondes Haar, das im Lichtkegel wie ein Heiligenschein erstrahlte.

    Ein lautstarker Auftakt, dann begann Miss LaFosse zu singen. Miss Pettigrew reckte den Kopf und lauschte mit atemloser Spannung. Ihre Erfahrung mit Unterhaltungskünstlern war gering. Ihre Erfahrung mit Unterhaltungskünstlern im Nachtclubbereich beschränkte sich ausschließlich auf das, was sie in den Tonfilmen davon gesehen hatte – ihrem einsamem, geheimem Laster. Nun eine von ihnen in Fleisch und Blut zu erleben, war etwas gänzlich anderes. Die weiß gekleidete Gestalt, die da am Flügel stand, schlug sie – und alle anderen Gäste – in Bann, raubte ihnen den Atem.
    Auf der Bühne war Miss LaFosse kaum wiederzuerkennen. Ohne merkliche Veränderungen in Haltung und Miene umgab sie mit einem Mal die faszinierende Aura eines Stars, wie sie da am Flügel lehnte und ihren Blick träge und gleichgültig durch den Raum schweifen ließ, die Lider senkte und ihre schläfrig wirkenden Augen im nächsten Moment schelmisch weit aufriss. Ihre Stimme war tief und rauchig. Miss Pettigrew war sich nicht recht sicher, wie das Gehörte zu bezeichnen war. Wohl kaum als Singen. Mitunter glich es eher Sprechen, aber es jagte ihr wonnevolle Schauer über den Rücken. Miss LaFosse sang ein frivoles, köstliches Lied mit dem Titel »When Father left for the Week-end, what did Mother do?« Miss Pettigrew genoss jede sündige Minute, obwohl manches, dessen Bedeutung sie nur erahnte, ihr die Röte in die Wangen trieb. Nach dem letzten Ton setzte donnernder Applaus ein. Miss LaFosse sang einen beliebten Schlager und dann noch einen. Die Rufe nach einer Zugabe ignorierte sie und kehrte an den Tisch zurück.
    »Okay, Schätzchen«, sagte Miss Dubarry. »Du warst toll. Kein Wunder, dass Nick dich nicht verlieren will. Ein Glück, dass wir keine Konkurrentinnen sind, ich wüsste
beim besten Willen nicht, ob die Freundschaft das aushielte.«
    »Wann singst du wieder?«, fragte Michael.
    »Gegen halb drei«, sagte Miss LaFosse.
    »Ach du grüne Neune!«, ächzte Michael. »So lange muss ich noch warten?«
    »Von müssen ist keine Rede«, sagte Miss LaFosse freundlich.
    »Trinken wir was«, sagte Tony.
    Miss LaFosse beugte sich diskret zu Miss Pettigrew und wisperte nachdrücklich:
    »Nicht durcheinandertrinken, denken Sie daran. Nichts ist tödlicher als das, wenn man es nicht gewöhnt ist.«
    »Was nehmen Sie?«, fragte Tony.
    »Ich hätte gern ein Gläschen Sherry, danke sehr«, antwortete Miss Pettigrew.
    Tony traten die Augen aus dem Kopf.
    »Habe ich richtig gehört?«, fragte er besorgt. »Spielen die alten Lauscher mir auch keinen Streich?«
    »Wenn Sie erst einmal in meinem Alter sind …«, begann Miss Pettigrew.
    Tony warf verzweifelte Blicke in die Runde.
    »Nicht schon wieder«, flehte er. »Fangen Sie um Himmels willen nicht wieder damit an. War das heute Nachmittag nicht schon mehr als genug? Also gut, Sherry.«
    Miss Pettigrew sah ihn verständnislos an.
    »Trifle«, kam es plötzlich von Rosie. »Drei Schichten Löffelbiskuit und Himbeermarmelade und ein schöner, schwipsiger Esslöffel Sherry in … Ich nehme einen Whiskey.«
    »Ich auch«, sagte Michael. »Herr Ober …«
    Sie hoben die Gläser. Verschiedene andere Gäste machten an ihrem Tisch Halt. Miss Pettigrew zerbrach sich nicht
weiter den Kopf über all diese Zugvögel. Man konnte nun einmal nur so und so viele Namen und Gesichter im Gedächtnis behalten.
    »Da sind Joe und Angela«, rief Miss Dubarry.
    Miss Pettigrew beobachtete gerade völlig fasziniert einen Mann am Nebentisch, der auf seinem Stuhl langsam immer tiefer rutschte. Bald würde er gänzlich unter dem Tisch verschwunden sein. Sofern seine Kumpane ihn nicht rechtzeitig retteten. Sie merkte erst auf, als Miss LaFosse sagte:
    »Guinevere, darf ich vorstellen: Mr. Blomfield. Joe, darf ich vorstellen: meine Freundin, Miss Pettigrew.«
    Überrascht von der ungewöhnlichen Förmlichkeit ihrer Freundin, wandte Miss Pettigrew den Kopf.
    Joe sah zu ihr herab. Ein großer, nicht mehr

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