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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Winifred Watson
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Befürchtungen unbegründet waren. Das Gespräch entspann sich wie von selbst. Mühelos. Es ergab sich einfach.
    Es drehte sich um Drinks, die angeboten und abgelehnt wurden. Es drehte sich um anwesende Freunde. Und um Joes Geschäft.
    »Korsetts!«, sagte Joe. »Mit Korsetts lässt sich eine Menge Geld machen. Wenn man an die richtigen Leute herankommt. So wie ich. Wenn man einer Frau am … ich will die Stelle nicht näher benennen, Sie werden es erraten … zwei, drei Zentimeter wegnimmt, kann man ein Vermögen verdienen. Von wegen, die Zeit der Korsetts sei vorbei! Sie haben ja keine Ahnung, wie die Damen der guten Gesellschaft mich bestürmen, ihnen die perfekte Figur zu schenken, die die Natur ihnen versagt hat. Meinen Sie etwa, Julians Kleider würden ohne meine Unterbauten so aussehen, wie sie aussehen? Nein, das würden sie nicht. Eine Ausbuchtung am, ach, zum Kuckuck, Sie wissen schon … ob vorn oder hinten, könnte die Wirkung jeder Kreation zerstören.«
    Miss Pettigrew war gefesselt. Es war ein einigermaßen ungewöhnliches Gesprächsthema für einen Mann und eine Frau, die sich eben erst kennengelernt hatten, aber sie fand es ungleich interessanter, als sich über das Wetter auszutauschen. Es war nicht anstößig. Es war die Welt der Großunternehmen. Wer hätte sich gestern wohl träumen lassen, dass sie heute hier saß und von Gleich zu Gleich
mit dem Eigentümer einer großen Firma plauderte? Ihre Lippen zitterten vor Interesse und Anteilnahme. Joe blühte auf. Angela verabscheute es, über Korsetts zu sprechen. Miss Pettigrew fand es wunderbar. Wahres Interesse lässt sich nicht verleugnen. Er musterte sie fachmännisch.
    »Sie haben eine blendende Figur für Ihr Alter«, sagte Joe ernst. »Ich glaube, selbst ›Blomfields Korrektur-Korsetts‹ könnten nichts weiter für Sie tun. Wie machen Sie das nur?«
    »Wenig Essen und fortwährendes Kopfzerbrechen«, dachte Miss Pettigrew. Aber heute Abend war sie Aschenputtel im Ballkleid und wollte keinen Gedanken an ihr tristes Leben verschwenden.
    »Oh!«, sagte sie nonchalant. »Es steckt gar nichts dahinter, ich versichere es Ihnen. Es ist einfach so.«
    »Keine Kinder«, sagte Joe scharfsinnig.
    »Ich bin unverheiratet«, sagte Miss Pettigrew würdevoll.
    »Wo haben die Männer nur ihre Augen«, sagte Joe galant.
    Miss Pettigrew schwanden vor Freude fast die Sinne. Die vielen Komplimente stiegen ihr zu Kopf. Sie hätte noch mehr davon vertragen, doch der Tanz war vorbei. Tony bedachte Joe mit einem strengen Blick. Joe sagte mild:
    »Die Jugend gehört ins zweite Glied, mein Kleiner.«
    »Ha!«, sagte Tony. »Du willst die Schöne wohl ganz für dich allein, wie?«
    Miss Pettigrew wand sich vor Wonne. Joe blieb wie angewurzelt neben ihr sitzen. Miss Pettigrew strahlte. George hatte sich zu ihnen gesellt und himmelte Angela unverhohlen an.
    »Ich habe Hunger«, sagte Miss LaFosse. »Mit leerem Magen kann ich nicht singen.«
    »Ich dachte immer, es wäre andersherum«, sagte Julian.
    »Bei mir nicht«, sagte Miss LaFosse.

    »Ich habe auch Hunger«, sagte Michael. »Die Wirkung meines Abendessens ist ebenfalls verflogen.«
    Ein Nachtmahl wurde bestellt. Die Musik setzte wieder ein, mit einer verträumten, schmelzenden Melodie. Die Paare verließen erneut den Tisch, um zu tanzen, bis das Essen serviert wurde. Joe sah zu Miss Pettigrew.
    »Jetzt sind wir an der Reihe, würde ich meinen.«
    »Aber ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht tanzen kann«, erwiderte Miss Pettigrew mit tiefstem Bedauern.
    »Ich bin recht zuversichtlich«, sagte Joe, »dass Sie den guten alten langsamen Walzer perfekt beherrschen.«
    Miss Pettigrews Gesicht hellte sich auf.
    »Ist das ein guter alter langsamer Walzer?«
    »Allerdings«, sagte Joe.
    Miss Pettigrew stand auf.
    Joe verbeugte sich und legte den Arm um ihre Taille. Sie warteten ein paar Takte ab und mischten sich dann unter die Menge. Miss Pettigrew kniff die Augen fest zusammen. Das war der krönende Augenblick. Neapel sehen und sterben. Sie überließ sich widerstandslos Joes Armen und dem traumhaften, beschwingten Rhythmus.
    Joe tanzte gut. Trotz seiner Andeutungen spürte Miss Pettigrew seinen stattlichen Leib lediglich als angenehmen Druck gegen den ihren. Bei den paar geselligen Veranstaltungen, die sie in ihrer Jugend besucht und dort hin und wieder zu gemäßigten Walzerklängen getanzt hatte, waren ihr stets Partner der älteren Generation zugefallen, und Miss Pettigrew erinnerte sich noch sehr genau an das

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