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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Winifred Watson
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Pettigrew nach. »Sie sagen das nicht nur aus Höflichkeit?«
    »Liebe Dame«, sagte Tony. »Würde ich hier und jetzt so freudig und liebenswürdig mit Ihnen Konversation pflegen, wenn Sie, eine wildfremde Person, mich Stunden zuvor grob beleidigt hätten? Sehe ich aus wie jemand, der eine Beleidigung vergisst? Ich warne Sie hier und jetzt, eine bejahende Antwort zählt unwiderruflich als erste Beleidigung.«
    »Recht so«, sagte Miss Pettigrew, schon fröhlicher. »Mir fällt ein Stein vom Herzen.«
    »Alles gut?«, fragte Tony.
    »Alles gut«, sagte Miss Pettigrew überglücklich.
    »Dann besteht jetzt wohl keine Notwendigkeit mehr«, sagte Tony, »die Unterhaltung auf einer derart hochgeistigen Ebene weiterzuführen.«
    »Nicht im Geringsten«, gluckste Miss Pettigrew.
    »Gott sei Dank!«, seufzte Tony. »Meine historischen Anekdoten beschränken sich strikt auf Heinrich den I., der niemals lächelte, auf Wilhelm den I. und seine Landung an der englischen Küste im Jahr 1066 sowie auf die Kronjuwelen, die im Wash verloren gegangen sind. Alles zusammen
in einem Witz untergebracht, den ich mal irgendwo gehört habe.«
    »Also«, ließ Miss LaFosse sich fröhlich vernehmen, »wenn ihr zwei eine Minute mit dem Turteln aufhören könntet, möchte Guinevere vielleicht auch noch den Rest kennenlernen. Entschuldige, dass ich das gefährliche Weib neben deinen Liebsten gesetzt habe, Edythe.«
    »Ach du meine Güte!«
    Miss Pettigrew wurde nervös und errötete ob ihrer Unhöflichkeit, doch bald schon verdrängte das lebhafte Interesse an den anderen Tischgästen ihre Bestürzung. Sie entdeckte einen stämmigen jungen Mann mit einem Kopf wie eine Kanonenkugel, hellem, kurz geschnittenem Haar, einer ausdruckslosen Miene und einem wachsamen Blick aus glänzenden hellblauen Augen. Neben ihm, sehr dicht neben ihm, saß eine hinreißende Frau. Sie hatte wallendes rostrotes Haar und große veilchenfarbene Augen. Sie war durchaus nicht füllig, erweckte jedoch den Eindruck von sanften Rundungen und weichen Mulden. Sie hatte etwas von der Mona Lisa oder der Lady von Shalott an sich. All ihre Bewegungen erfolgten langsam, mit träger, matter Langeweile. Sie trug ein leuchtend purpurfarbenes Kleid. An ihrem Finger funkelte ein großer Smaragd. Neben den anderen Frauen, die alle so gertenschlank, modern und englisch waren, wirkte sie wie eine kostbare Blüte aus sonnigeren Gefilden. Miss Pettigrew überkam die romantische Vorstellung, dass der junge Mann sie aus irgendeinem üppigen tropischen Land mitgebracht haben musste.
    »Guinevere«, sagte Miss LaFosse, »das ist Julian. Wenn Sie möchten, dass Ihre Rivalin sich vor Neid die Haare ausrauft, gehen Sie zu Julian. Er kleidet Sie ein. Aber er hat seinen Preis. Zu mir muss er immer hübsch freundlich sein,
weil ich ihm eine Menge Geld schulde und er weiß, dass ich nicht zahle, wenn er nicht freundlich zu mir ist.«
    Julians Mund tat sich auf und ließ einen Moment lang blendend weiße Zähne sehen.
    »Wie geht’s?«, quetschte er heraus.
    »Er redet nie viel«, erläuterte Miss LaFosse. »Er sitzt bloß da und zieht jede Fremde in Gedanken aus und so wieder an, wie sie angezogen sein sollte, und wenn sie dann schließlich zu ihm kommt, was immer der Fall ist, wirft er nur einen Blick auf sie und sagt ihr sofort, was sie tragen muss, und dann ist sie völlig hingerissen von ihm und kommt immer wieder.«
    »Ach herrje!«, dachte Miss Pettigrew. »Wie peinlich, wenn er mich so ansähe. Ich würde bis über die Ohren rot werden.«
    »Na, du kannst dich über meine Methoden nicht beschweren«, sagte Julian friedfertig, »wo doch die Ergebnisse so zufriedenstellend sind.«
    »Rosie«, sagte Miss LaFosse, »das ist Guinevere. Eine Freundin von mir.«
    »Willkommen«, sagte Rosie.
    »Sie dürfen unter keinen Umständen Steak mit Zwiebeln bestellen«, sagte Miss LaFosse ernst zu Miss Pettigrew. »Rosie macht gerade eine Diät. Da darf sie das nicht essen, dabei könnte sie dafür sterben. Allein der verlockende Geruch würde ihr schon den Abend verderben. Oder schlimmer: Am Ende wird sie noch schwach und erliegt der Versuchung.«
    »Ich werde mich zurückhalten«, versprach Miss Pettigrew eilig.
    »Ich war bei einem Arzt«, sagte Rosie trübsinnig. »In der Hölle soll er braten. Weißes Fleisch. Huhn! Ich hasse Huhn. Ist doch nichts dran. Davon soll eine Frau satt werden?
Nichts Gehaltvolles. Nichts Fettes. Nichts Gebratenes. Keine Kartoffeln. So gut wie keine Butter. Kein Kuchen. Was

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