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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Winifred Watson
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sollte lieber ehrlich sein. Ich meine, es wäre nicht fair Ihnen gegenüber, wenn Sie eine persönliche Empfehlung aussprechen, ohne Bescheid zu wissen. Ich bin nämlich keine besonders gute Gouvernante«, sagte sie verzagt. »Es müsste eine sehr simple Stellung sein. Bei meiner letzten war der Begriff Gouvernante, so fürchte ich, nur eine höfliche Umschreibung für eine Art Kindermädchen. Es ist besser, wenn Sie auch das noch wissen.«
    »Ich verstehe«, sagte Joe. »Die Schwierigkeiten sind nicht unüberwindlich.«
    »Sie sind so freundlich«, stammelte Miss Pettigrew.
    »Und jetzt«, sagte Joe, »sollen Sie wissen, dass ich mich hier hinten in meinem Eck sehr einsam fühle.«
    Er zog Miss Pettigrew erneut zu sich heran und legte sehr entschieden wieder den Arm um sie.
    Dann war Onslow Mansions erreicht. Joe schickte das Taxi fort und betrat mit Miss Pettigrew das Haus. Die Eingangshalle war leer. Der Nachtportier war nirgends zu sehen. Joe schickte sich an, Miss Pettigrew nach oben zu begleiten,
um dort mit Miss LaFosse ein paar Worte unter vier Augen zu wechseln, doch Miss Pettigrew hielt ihn auf.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte sie verlegen, »gehe ich lieber allein. Miss LaFosse war so überaus gut zu mir. Ich kann unmöglich einen ungebetenen Gast mit hinaufbringen. Das hieße, ihre Freundlichkeit zu sehr in Anspruch zu nehmen. Das bringe ich nicht über mich. Ich bin mir recht sicher, dass sie es nicht wünschen würde.«
    »Wie Sie meinen«, sagte Joe, tapfer bemüht, sich Miss Pettigrews Auffassungen von Höflichkeit anzunähern und sich Miss LaFosse als erzürnte Gastgeberin vorzustellen. Delysia, das wusste er genau, würde keinen Anstoß nehmen, selbst wenn Miss Pettigrew mit zehn fremden Männern im Schlepptau aufkreuzte.
    »Hier haben Sie meine Karte«, sagte er energisch. »Finden Sie sich morgen um Punkt zwölf dort ein. Wenn Sie nicht kommen, setze ich Detektive auf Sie an. Versprochen.«
    »Oh«, wisperte Miss Pettigrew. »Meinen Sie wirklich, Sie könnten etwas für mich ausfindig machen?«
    »Ich bin mir ziemlich sicher«, sagte Joe mit einem so bedeutungsvollen Blick, dass Miss Pettigrews Herz zwei Schläge lang aussetzte, »dass ich eine Position für Sie finden werde.«
    »Oh, ich danke Ihnen«, sagte Miss Pettigrew atemlos. »Ich … ich würde Sie ja sonst nicht damit behelligen, es ist nur … mir wird nur allmählich ein bisschen bange. Es macht einem so viel Sorge, ohne Stellung dazustehen.«
    »Kein Problem«, sagte Joe. »Ist mir ein Vergnügen. Sie brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen.«
    »Gute Nacht«, sagte Miss Pettigrew scheu. »Und danke für die glücklichste Nacht meines Lebens.«
    Sie hielt ihm die Hand hin, doch Joe war nicht der Mann
für dergleichen Förmlichkeiten. Miss Pettigrew wurde ein weiteres Mal von starken Armen umschlungen und ausgiebig geküsst.
    »Bis morgen«, sagte Joe.
    Leicht benommen vor Glücksseligkeit stieg Miss Pettigrew die ersten Stufen hinauf.
    Joe stöberte den Nachtportier auf und ließ sich Miss LaFosses Telefonnummer geben. Zehn Minuten später rief er von unten aus der Halle an.
    »Hallo!«, ließ Miss LaFosse sich vernehmen.
    »Bist du’s, Delysia?«, fragte Joe.
    »Ja«, sagte Miss LaFosse. »Wer ist dran?«
    »Ich bin’s, Joe, aber sag nichts. Ist Miss Pettigrew da?«
    »Ja.«
    »Und du behältst sie heute Nacht bei dir?«
    »Sicher.«
    »Ich erklär’s dir morgen. Sag ihr nichts.«
    »Okay.«
    »Ich komme gleich in der Früh.«
    »Nicht zu früh. Ich lasse das Vögelchen schon nicht entwischen.«
    »Recht hast du. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Joe legte auf.

FÜNFZEHNTES KAPITEL
    3:06-3:47
     
     
    D ie ersten paar Stufen schritt Miss Pettigrew wie eine Schlafwandlerin empor. Ihre Füße versanken in dem dicken Teppichflor. Im Haus war alles still. Treppen und Flure waren schwach beleuchtet. Die Ruhe bewegte zu innerer Einkehr. Allmählich verflog ihr Glücksgefühl. Ihre Schritte wurden langsamer, schleppender. Ihre Märchenwelt verblasste. Vor ihr türmte sich ein furchterregendes Fantasiegebilde auf.
    Ihr Tag war vorbei. Ein wundervoller Tag, aber vorbei. Sie sah sich wieder in aller Deutlichkeit, so wie sie war, so wie sie vor gar nicht langer Zeit zum ersten Mal über diese Treppe nach oben gestiegen war, keinen Penny in der Tasche, stellungslos, mutlos, reizlos. Das war ihr wahres Selbst. Einen Tag lang war sie für Miss LaFosse so etwas wie ein ausgefallenes, unterhaltsames Spielzeug gewesen, und Miss LaFosse

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